Wort der Woche

Kugelstoßen und Hammerwerfen

Die Weiten, die beim Kugelstoßen und Hammerwerfen erzielt werden, hängen nicht nur von der Wurfkraft ab, sondern auch andere physikalische Faktoren spielen eine Rolle.

Wenn Athletinnen und Athleten dieser Tage bei der Leichtathletik-WM in Budapest ihre Kugeln und Hämmer in die Ferne schleudern, knüpfen sie an lange Traditionen an. Steine, später auch Kanonenkugeln wurden schon in der Antike um die Wette geworfen; das moderne Hammerwerfen geht auf das Weitwerfen von Schmiedehämmern im mittelalterlichen England und Irland zurück. Heute haben Kugeln und Hämmer bei Männerbewerben ein standardisiertes Gewicht von 7,26 Kilogramm (16 engl. Pfund) – die Weltrekorde liegen bei unglaublichen 23,56 bzw. 86,74 Metern. Frauen befördern ihre vier Kilo schweren Wurfgeschosse bis zu 22,63 bzw. 82,98 Meter weit.

Wie weit ein Wurf geht, hängt – neben Fitness und Kraft, Technik und Tagesverfassung – von viele physikalischen Parametern ab. Als Mensch kann man den vertikalen Abschusswinkel (Kugel: ideal rund 37 Grad, Hammer: 45 Grad), die Abschussgeschwindigkeit (Kugel: rund 14 m/s, Hammer: ­29 m/s) sowie die Abschusshöhe steuern. Darüber hinaus sind aber auch Seehöhe und Luftdruck (Luftdichte), Temperatur und Wind bedeutsam. Auch die Geophysik hat Einfluss: Je nach geografischer Breite variieren Erdanziehung und Zentrifugalkraft, abhängig vom horizontalen Abschusswinkel (also der Ausrichtung der Wurfbahnen) wirkt auch die Corioliskraft auf die Flugparabel ein.

All das kann die erzielten Weiten theoretisch stark beeinflussen: Beim Hammerwerfen macht z. B. der Einfluss des Windes bis zu 70 Zentimeter aus, jener der geografischen Breite bis zu 45 Zentimeter. Beim Kugelstoßen ist es entsprechend weniger: neun bzw. elf Zentimeter.

Wie relevant ist das in der Praxis? Bei einem einzelnen Wettbewerb sind die Bedingungen für alle (im Wesentlichen) gleich. Zwischen verschiedenen Sportstätten kann es aber Unterschiede geben. Das haben nun ungarische Forschende um Gábor Horváth (Elte, Eötvös Loránd University Budapest) mithilfe detaillierter Computermodelle bei den letzten 20 Weltrekorden untersucht. Es zeigte sich, dass die wichtigsten Einflussgrößen – neben der Körpergröße – die Zentrifugal- und die Corioliskraft sind, die die erzielten Weiten in der Praxis um bis zu vier (Kugel) bzw. zwölf (Hammer) Zentimeter beeinflussten (Scientific Reports, 27. 6.). Hätte man die geografische Lage und die Wurfrichtung berücksichtigt, wären z. B. bei den Männern zwei Kugelstoß- und drei Hammerwurf-Weltrekorde keine solchen gewesen.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

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