Interview

Andreas Babler: „Wir schießen uns nicht auf Mark Mateschitz ein“

„Wichtig ist, dass Dornauer sozialdemokratische Politik in sich trägt“: Andreas Babler im „Presse“-Studio mit Oliver Pink und Gernot Rohrhofer.
„Wichtig ist, dass Dornauer sozialdemokratische Politik in sich trägt“: Andreas Babler im „Presse“-Studio mit Oliver Pink und Gernot Rohrhofer.Inés Bacher
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SPÖ-Chef Andreas Babler will die Grundsteuer nur bei Erbschaften abschaffen, erklärt, welches Problem er mit Alexander Van der Bellen hat und warum die 32-Stunden-Woche in der SPÖ noch warten muss.

Die Presse: Wieso hat sich die SPÖ eigentlich so auf Mark Mateschitz eingeschossen? Dessen Unternehmen hat seinen Firmensitz in Österreich, zahlt hier Steuern, erhält unzählige Arbeitsplätze. Was ist also das Problem?

Andreas Babler: Wir schießen uns nicht auf Mark Mateschitz ein, sondern bringen eine Gerechtigkeitsdebatte in der Frage von Vermögens- und Erbschaftssteuern.

Sie sagen, hätte Mark Mateschitz Erbschaftssteuern bezahlt, hätte das dem Staat mehrere Millionen Euro gebracht. Wie geht sich das mit einem Plus für den Staat in Summe aus, wenn man stattdessen die Grunderwerbssteuer abschafft?

Das geht sich locker aus. Weil wir natürlich auch ein Vermögenssteuerkonzept haben. Wir wollen 96 Prozent der Bevölkerung entlasten. Das geht sich nur mit einer Vermögensbesteuerung aus. Ein Teil davon ist eine Erbschaftssteuer. Und diese soll nicht die Häuslbauer treffen.

Aber Sie schaffen jene Art von Erbschaftssteuer, die es bisher gibt, nämlich die Grunderwerbssteuer, ab und wollen stattdessen nur die Superreichen, wie Sie sagen, mit einer Erbschaftssteuer belasten. Wo ist da der steuerliche Gewinn für den Staat?

Weil Sie jetzt den großen Bereich der Vermögensbesteuerung weglassen.

Welches Vermögen soll da besteuert werden?

Das werden wir präsentieren. In den Grundzügen ist es bekannt: eine Substanzbesteuerung auf Immobilienvermögen, auf Grund und Boden – wobei es für die Bauern auch Ausnahmen geben wird –, bei Firmenbeteiligungen, bei großen Aktienpaketen. Eigentlich ein leichter Aufwand, der für mehr Gerechtigkeit sorgen wird.

Und die Grunderwerbssteuer soll für jeden Grunderwerb abgeschafft werden?

Nein, nur bei Erbschaften.

Fangen Sie mit dem Begriff Leistung eigentlich etwas an? Sie wollen die drucklose Schule, die 32-Stunden-Woche, Menschen, die Vermögen geschaffen haben, belasten.

Wir haben einen sehr progressiven Leistungsbegriff. Leistungsträger sind nach unserer Definition Menschen, die arbeiten gehen, ihre Leistung erbringen, es dabei nicht leicht haben, egal, ob es eine Supermarktkassiererin, Mitarbeiter im Pflegebereich und im Gesundheitswesen, ob es Pädagogen sind. Da stellen wir Millionen- und Milliardenerben entgegen, die noch keine Leistung erbracht haben.

Im ORF-„Sommergespräch“ haben Sie gesagt, dass Sie bei der Bundespräsidentenwahl Marco Pogo gewählt haben. Warum nicht Alexander Van der Bellen?

Das war meine persönliche Entscheidung.

Aber warum nicht Van der Bellen?

Das hat vielleicht auch mit seiner Bilanz zu tun. Ich hätte mir öfters klarere Worte erwartet. Etwa als man Kinder direkt aus der Schule abgeschoben hat.

Wie läuft es mit Hans Peter Doskozil? Gab es inzwischen ein Gespräch mit ihm?

Klar hat es Gespräche gegeben. Ich brauche das nicht immer zu wiederholen.

Wie ist das Verhältnis zwischen Ihnen?

Das kommt darauf an, wie man ein Verhältnis definieren mag. Ich habe aufgehört, darüber öffentlich zu berichten.

Aber ist es gut oder ist es schlecht?

Es ist ein normales Verhältnis.

Für eine gewisse Aufregung hat zuletzt die Beziehung zwischen dem Tiroler SPÖ-Chef, Georg Dornauer, und der italienischen Abgeordneten Alessia Ambrosi, die der Partei von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni angehört, gesorgt. Tiroler Jungsozialisten fanden das nicht angemessen. Wie sehen Sie das? Ist das privat? Oder politisch?

Ich würde es als privat bezeichnen. Wichtig ist, dass Dornauer sozialdemokratische Politik in sich trägt.

Michael Schnedlitz, der Generalsekretär der FPÖ, hat vor einigen Tagen im Interview mit der „Presse“ auf die Frage, ob er sich eine Koalition mit der SPÖ vorstellen kann, gemeint: „Das wäre natürlich auch eine interessante Variante. Man wird schauen müssen, ob es Andreas Babler, der jetzt nicht vom Fleck kommt, nach der Wahl noch gibt. Dann wären auch hier die Karten neu gemischt.“ Wie halten Sie es denn mit der FPÖ? Ist die gemeinsam von SPÖ und FPÖ beantragte Sondersitzung am Mittwoch im Nationalrat ein erstes Aufeinander-Zugehen?

Ist es nicht. Das ist eine pragmatische Arbeitsweise, die ich auch in meiner Stadt praktiziere. Und für eine Sondersitzung zur Teuerung in der sitzungsfreien Sommerpause haben wir eben ein Drittel der Abgeordneten gebraucht.

Sie haben im ORF-„Sommergespräch“ auch gemeint, dass Sie davon ausgehen, nach der nächsten Wahl so stark zu sein, dass Sie zu Koalitionsverhandlungen einladen können. Platz eins ist derzeit aber nicht erreichbar.

Ich gehe davon aus, dass es das Hauptanliegen der Politik sein muss, die Umstände zu verbessern und nicht hinzunehmen. Dieses Land rauscht gerade mit einer unterlassenen Hilfeleistung durch die Inflation. Mit allen Katastrophen und Tragödien bis in die Familien hinein. Die Kaufkrafteinbußen lösen auch Insolvenzen aus – Salamander, Forstinger, Delka. Viele Menschen haben sich von der Politik abgewendet, hin zu den Nichtwählern. Für diese gab es bisher kein attraktives Angebot, keine Alternative für ein freundlicheres Österreich. Ich gehe davon aus, dass sich da sehr viel ändern wird. Wir haben schon jetzt in den Umfragen eine große Stabilisierung.

Rein atmosphärisch zeichnet sich derzeit ein Duell um die Kanzlerschaft zwischen Karl Nehammer und Herbert Kickl ab. Wie wollen Sie da hineinkommen?

Ich könnte fragen: Was soll das inhaltliche Duell sein? Schnitzel gegen Bargeld? Inhaltlich, im Menschenbild der beiden Parteien, gibt es jedenfalls große Übereinstimmungen, Festungen zu bauen, Stacheldrähte. Es wird schwer sein, dass die beiden ein Duell ausrufen, weil sie sich inhaltlich so ähnlich sind.

Steht die Lenin-Statue noch in Ihrem Bücherregal?

Nein.

Was fällt Ihnen denn zu Lenin ein?

Gar nichts. Ich will mich gar nicht damit auseinandersetzen. Ich kämpfe jetzt gegen die Teuerung. Ich habe in den vergangenen Wochen 15.000 bis 20.000 Menschen getroffen. Solche Fragen habe ich nicht bekommen.

Sie waren in Ihrer SJ-Zeit Teil der marxistisch-leninistischen Stamokap-Strömung. War das eine Jugendsünde?

Es war eine Auseinandersetzung. Es war nicht nur der Stamokap, ich war genauso austromarxistisch orientiert. Wir hatten in der SJ eben eine Strömungsgeschichte in der ideengeschichtlichen Auseinandersetzung. Ich würde aber einfordern, bei der Gewichtung wieder auf die heutige Realität zurückzukommen.

Sie wollen Mindestzinsen für Spareinlagen, einen Höchstzinssatz für Wohnkredite und Überziehungszinsen. Auch in anderen Bereichen, etwa bei Mieten oder Lebensmittelpreisen, fordert die SPÖ staatliche Eingriffe. Experten warnen davor. Wieso können Sie garantieren, dass all diese Eingriffe wirklich bei jenen ankommen, die es brauchen?

Experten, die aufseiten der Konsumenten stehen, empfehlen uns das. Die warnen nicht davor, die sagen, es sei dringend notwendig, dass die Politik hier Einhalt gebietet. Und es ist auch eine moralische Frage. Es gab zuletzt in der Krise über zehn Milliarden Euro an Gewinnen auch vom Bankenwesen, jetzt in den Prognosen weitere Zuwächse. Da versucht man eben auch einzuschreiten, wo der Markt nicht funktioniert. Deutschland hat wesentlich bessere Sparangebote. Weil dort der Markt, die Konkurrenz, der Wettbewerb funktionieren. Bei uns werden auf der Sparseite die Zinsen nicht fair weitergegeben, aber auf der Girokreditüberziehungsseite sehr schnell. Wir würden hier also für ein bisschen mehr Gerechtigkeit sorgen, indem wir diese Spanne ein bisschen einfangen, das würde nicht einmal den Banken den Gewinn wegnehmen. Das wären laut unseren Berechnungen rund 700 Millionen Euro – bei über zehn Milliarden an Gewinnen. Wir sind da auch nicht allein, es gibt verschiedene Modelle, die Druck ausüben: In Großbritannien wurde massiv mit der Aufsicht gedroht. Es gibt Sparmodelle, die Mindestzinssätze garantieren.

Sie haben gemeint, Sie würden immer maximal Tempo 100 fahren. In diesem Sinne, also der Vorbildwirkung, könnten Sie in der SPÖ auch gleich die 32-Stunden-Woche einführen. Haben Sie das vor?

Man sollte das aus der Betroffenheit der Arbeitsintensität denken. Das ist auch eine Frage des Respekts – etwa gegenüber den Pflegerinnen, die sich alle eine Arbeitszeitverkürzung wünschen, weil sie den Job gern machen, aber die langen Arbeitszeiten nicht aushalten. Viele denken, dass sie nicht in Pension gehen können in diesem Job. Weil man diese Marathonstrecke eben nicht in einem Hundert-Meter-Lauf-Tempo durchrennen kann. Was muss man machen? Die Strecke verkürzen. Es wäre daher auch moralisch das falsche politische Zeichen, wenn die SPÖ hier vorangeht und nicht bei den Pflegerinnen zuerst die Arbeitszeitverkürzung macht.

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