Mein Samstag

Als ich einmal in Wien im Kreis gelaufen bin

Start- und Ankunftspunkt: Der Stephansplatz in Wien.
Start- und Ankunftspunkt: Der Stephansplatz in Wien.Die Presse / Clemens Fabry
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Sich in der großen Stadt zu orientieren, war zunächst herausfordernd – und ist es noch.

Ohne Orientierungssinn sieht man viel mehr von der Welt – so sagt man. Nun, ich entdecke regelmäßig neue, mir unbekannte Orte, bis andere mir sagen, dass ich schon einmal hier war. Offenbar habe ich kein gutes Erinnerungsvermögen, was meine visuelle Umgebung betrifft.

Am schlimmsten ist es bei Wegstrecken. Bekannte Wege kommen mir öfter nicht mehr in den Sinn. Und auch neue Ziele finde ich meist erst beim zweiten Anlauf. In Wien war ich, die ich in einer 3000-Einwohner-Gemeinde aufgewachsen bin, zu Beginn sowieso verloren. Da half auch der Kompass nichts, den mir meine Familie wohl mehr aus Spaß zu meinem Umzug geschenkt hatte. Ich erinnere mich an eine Situation, die mir das sehr unmittelbar vor Augen führte:

Ich war am Stephansplatz und musste zur Hauptuniversität. Weil der Bus ausgefallen war, dachte ich mir, ich gehe zu Fuß. Wie schwer kann das schon sein? Ich hielt mich extra an die Busstationen. Als nach drei Haltestellen aber lang keine neue kam, wurde ich skeptisch. Trotzdem ging ich weiter, denn es hätte ja sein können, dass die Stationen einfach weit auseinanderliegen. Irgendwann dachte ich mir aber, dass etwas nicht stimmen konnte. Ich packte mein Handy aus und schaute auf Google Maps nach, wo ich war. Es stellte sich heraus, dass ich nur eine kleine Straße entfernt vom Stephansplatz war. Ich war also im Kreis gelaufen. Bis heute weiß ich nicht, wie ich das geschafft habe – kann ich mich doch nicht erinnern, recht viele Kurven gegangen zu sein. Mich verließ jedenfalls der Mut und ich stieg in die U-Bahn, die mich ans Ziel brachte.

Auch heute noch gehe ich in die falsche Richtung, steige in die falsche U-Bahn ein. Trotzdem weigere ich mich, permanent nur auf Google Maps schielend herumzulaufen. Denn so entgehen sie mir, die vielen schönen, neuen Orte.

E-Mails an: eva.schrittwieser@diepresse.com

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