Afrika

Die neue Ära der Putschisten

Putschführer Brice Oligui Nguema auf den Schultern seiner Mitverschwörer in Gabun.
Putschführer Brice Oligui Nguema auf den Schultern seiner Mitverschwörer in Gabun.AFP
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Die Zeit der Generäle schien vorbei. Nun fällt eine „Demokratie“ nach der anderen. Warum gibt es wieder so viele Coups?

Die Ära der Putsche ist lang vorbei“, bilanzierte im Jahr 2019 der nigerianische Präsident, Muhammadu Buhari. Den noch immer zahlreichen Putschen der 1990er-Jahre (15) war ein rapider Rückgang auf acht in den 2000er- und nur fünf in den 2010er-Jahren gefolgt. Eine Fehleinschätzung. Denn seitdem steigt die Zahl wieder rasant. Der Putsch in Gabun am Mittwoch war der neunte in Afrika seit 2020. Zuvor hatte bereits in Mali, Burkina Faso (je zweimal), Guinea, im Niger, Tschad und Sudan die Armee die Macht ergriffen. Was sind die Gründe für diese Welle machthungriger Generäle?

Schlechte Regierungsführung 

Oft profitieren die Generäle vom Druck der „Straße“. In Gabun hat Präsident Ali Bongo 14 Jahre regiert, davor sein despotischer Vater mehr als vier Jahrzehnte. Den Wahlen unmittelbar vor dem Umsturz fehlte jede Glaubwürdigkeit. Das Staatsfernsehen veröffentlichte Bilder von Taschen voller Geld.

In Mali wurde 2020 der zunehmend unbeliebte Präsident Ibrahim Boubacar Keïta gestürzt, der seinen korrupten Sohn Karim zum Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses gemacht hatte. Bilder, die den Filius mit Champagner und Prostituierten zeigten, wurden zum Symbol des Regierungsversagens in dem muslimischen Land.

Anders stellt sich die Situation im Niger dar, wo die Generäle Präsident Mohamed Bazoum seit vier Wochen unter Hausarrest festhalten. ­Bazoum plante sinnvolle Reformen. Aber auch er machte Fehler und versäumte, die Dezentralisierung voranzutreiben.

Wirtschaftskrise

Jakkie Cilliers von der südafrikanischen Denk­fabrik Institute for Security Studies macht die Kombination verschiedener wirtschaftlicher Faktoren mitverantwortlich. „Viele Regierungen haben deutlich weniger Geld für Sicherheit, Gesundheit und Bildung zur Verfügung als noch vor einigen Jahren“, sagt der renommierte Analyst. Das habe mit der Finanzkrise 2007 begonnen, auch das geringere Wachstum in China sorge für geringere Nachfrage nach afrikanischen Rohstoffen, so der Analyst. Hinzu kommen die hohe Schuldenbelastung sowie die überproportionalen Folgen von Covid, Klimawandel und der russischen Invasion in der Ukraine – Treibstoff für Unruhen. Auch das hohe Bevölkerungswachstum spiele eine Rolle: „Die demografische Zeitbombe wird zur Realität.“

Korrupte Militärstrukturen 

Die zunehmend dramatische Sicherheitslage in der Sahelzone hat die Schwäche der staatlichen Strukturen offenbart. Die Regierungen in Binnenstaaten wie Burkina Faso oder Mali hatten nie die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet. Umso müheloser rissen die Terroristen ganze Landstriche an sich.

Das Militär verlangte – nicht weiter verwunderlich – verstärkt Ressourcen. Auch daran zerbrachen die Beziehungen zum Westen. In Mali ließ sich schon zu ­demokratischen Zeiten schwer Militärhilfe rechtfertigen, weil die Armee über keinerlei transparente Budgets verfügte, weil Gelder versickerten. Sowohl in Mali als auch in Burkina Faso hatte die Europäische Union in die eigentlich dringend benötigte Ausbildung von lokalen Soldaten investiert  – die dann aber teilweise an den Umstürzen in ihren Ländern beteiligt waren. Das sei ein „sehr signifikantes Dilemma“, sagte Irlands Außenminister, Micheál Martin. „Wir müssen unsere Herangehensweise in Afrika angesichts der Ereignisse neu bewerten.“

Oft ist die Armeeführung auch massiv mit den Staatsunternehmen verstrickt, besonders im Sudan. Dort putschte die Armee im Jahr 2021 gegen die Übergangsregierung, weil die machthungrigen Generäle ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss nicht aufgeben wollten. Jetzt sind zwei rivalisierende Armeegruppen in einem Machtkampf verwickelt und stürzten das Land in einen Bürgerkrieg.

Mangelhafte Sanktionen

Zuletzt zeigte sich, dass die Sanktionsmechanismen der Afrikanischen Union (AU) längst nicht so effektiv sind, wie es sich ihre Mitgliedstaaten eingeredet haben. Man reagiert mit Suspendierungen, bei Sondergipfeln sitzen die Generäle dann aber doch wieder mit am Tisch. Man einigt sich auf einen Übergang hin zur Demokratie, und die Sanktionen werden wieder aufgehoben – selbst wenn die Versprechen gebrochen werden.

Im Niger versucht der westafrikanische Staatenblock Ecowas einen Hardlinerkurs, er droht den Generälen mit dem Einmarsch. Doch eine erste Frist verstrich. Die angekündigte Mobilisierung für eine Einmarschtruppe kommt nicht voran. Gabun ist zwar nicht Teil von Ecowas, aber die Hilflosigkeit im Fall Niger dürfte den Generälen signalisiert haben, dass sie keine Konsequenzen zu befürchten haben.

Wut auf Frankreich – und die Eliten

Im Zuge der aktuellen Putsche ist viel vom Hass auf Frankreich die Rede. Schließlich fanden die Umstürze mit Ausnahme des Sudan in ehemaligen französischen Kolonien statt, wo Paris weiter enormen Einfluss hat. Diese Wut richtet sich aber auch gegen die kleinen lokalen Eliten, die von den Rohstoffexporten nach Frankreich fast ausschließlich profitiert haben. Dass französische Tuppen im Kampf gegen den Terrorismus wenig Wirkung zeigten, heizte die Ressentiments weiter an.

Russlands Propaganda hat das in den vergangenen Jahren geschickt genutzt, inszeniert sich in Mali als alternativer Sicherheitspartner ohne demokratische Auflagen. Auch Burkina Faso, Guinea und Niger haben Kontakt zu den Wagner-Söldnern gesucht – trotz ihrer bisher desaströsen Bilanz in Mali.

Allzu große Glaubwürdigkeit als Wortführer der Demokratie kann Frankreich nicht beanspruchen. Schließlich stützt es den verfassungswidrig an die Macht gekommenen Präsidenten des Tschad, hat gute Beziehungen mit dem Bongo-Clan in Gabun gepflegt und findet auch an der seit vier Jahrzehnten anhaltenden Herrschaft von Kameruns greisem Präsidenten, Paul Biya, wenig auszusetzen.

Biya könnte übrigens der nächste Gestürzte sein. Er beschloss am Donnerstag eilig umfangreiche personelle Änderungen in seinem Verteidigungsministerium. Der Mann ist nervös.

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