Tanzen gegen den Terror. Straßenszene aus dem Zentrum Odessas.
Reportage

Meer, Musik und Raketen: So lebt Odessa im Krieg

Tagsüber sonnen sie sich am Strand, nachts verstecken sie sich vor Explosionen: Wie die Einwohner Odessas ihren Alltag dem Krieg angepasst haben und der russische Angriff die Identität der Stadt verändert.

In der Oper von Odessa wollen die Musiker gerade auf die Bühne treten, da heulen die Sirenen los. Luftalarm. Es ist kurz nach 17 Uhr, ein sonniger Tag Ende August. Auf dem Programm steht ein Kammerkonzert mit Werken des zeitgenössischen ukrainischen Komponisten Zoltan Almashi. Man hat sich herausgeputzt: Das Publikum, vornehmlich Frauen, in leichten Sommerkleidern; die Musiker tragen dezentes Schwarz. Doch wegen der monotonen Melodie des Krieges kann das Konzert vorerst nicht beginnen. Alle müssen in den Luftschutzbunker.

Über marmorne Treppen eilt die Konzertgesellschaft hinab in den dunklen Unterbauch des Opernhauses. Der verschwenderische Prunk des neobarocken Baus, der vom Wiener Architektenduo Ferdinand Fellner und Hermann Helmer geplant wurde, lässt Stockwerk für Stockwerk nach. Unter der Erde sind die Wände kahl, und der Boden ist mit weißen Fliesen ausgelegt. Die Luft ist kühl und riecht leicht modrig. Am Ende eines langen Ganges – zuerst nach links, dann nach rechts – eine Eisentür: „ukryttja“ steht darauf auf Ukrainisch geschrieben, Schutzraum. „Hoffentlich dauert der Alarm nicht lang“, sagt eine Frau in einem gelben Kleid. Eine andere hat weniger Contenance. Sie flucht, auf Russisch: „Swolotschi!“ — „Dreckskerle!“

Selbst russische Flüche helfen in diesen Minuten nicht. So können Konzerte dieser Tage in Odessa enden. Enden, bevor sie angefangen haben.

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