Retail

Verkaufsflächen schrumpfen weiter

Rund 300.000 m<sup>2</sup> der frei gewordenen Flächen sind auf Filialschließungen der insolventen Kika/Leiner-Gruppe zurückzuführen.
Rund 300.000 m2 der frei gewordenen Flächen sind auf Filialschließungen der insolventen Kika/Leiner-Gruppe zurückzuführen.Clemens Fabry
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Österreichs Handel verliert zunehmend an Geschäftsfläche. Expandierende Branchen sind die Ausnahme. Nachfrage herrscht nur in Toplagen, Investoren stellen dabei klare Bedingungen.

In Österreich stehen derzeit pro Einwohner etwa 1,56 Quadratmeter Handelsfläche zur Verfügung, lautet die Berechnung von Regioplan. Im Jahr 2014 waren es noch 1,77 Quadratmeter. Jetzt machen 0,21 Quadratmeter pro Person nicht viel aus – in der Masse aber schon. „Nicht nur die aktuellen Insolvenzen und Rückzüge aus der Fläche verändern den österreichischen Einzelhandel, dieser Trend besteht schon seit zehn Jahren“, sagt Romina Jenei, CEO der Regioplan Consulting. Und es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Verkaufsflächen insgesamt weiterhin schrumpfen werden. Der prognostizierte Rückgang wird sich langsam, aber stetig fortsetzen und sich auf 1,5 bis zwei Prozent pro Jahr belaufen.

Derzeit stehen durch Insolvenz, Rückzug der Unternehmen aus Österreich oder einfach Filialreduktion „weit über 550.000 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Disposition“, weiß Jenei. Das sind vier Prozent der gesamten Verkaufsfläche in Österreich. Rechnet man den weitgehend stabilen Lebensmittelhandel heraus, sind es sogar über fünf Prozent. Die derzeitige Grundtendenz „Flächenrückgang“ bleibt somit bestehen, auch wenn die Verschiebung von Umsätzen aus dem stationären zum Onlinehandel zumindest vorerst gestoppt scheint.

Trend zur Verkleinerung

„Aktuell gibt es einen deutlichen Trend zu Flächenverkleinerungen, unter der Voraussetzung, dass diese für die Konzepte umsetzbar sind“, sagt Stefan Braune, Head of Retail bei der Örag. In den klassischen Handelskonzepten, wie beispielsweise der Textilbranche, lässt sich Flächenverkleinerung durch Ausbau des Onlinehandels aufwiegen, „andere Marktteilnehmer, etwa im Bereich Mobilität oder Entertainment, haben diese Möglichkeit natürlich nicht“. Generell wittert Braune aber erneuten Aufwind im Handel: „Die Konzepte erfordern wieder mehr Flächen, und es ist branchenabhängig ein Expansionszuwachs zu bemerken. Auch internationale Brands sind dabei am österreichischen Markt interessiert“, hält er fest.

»Diskonter profitieren von der schwierigen Lage und dem sich verändernden Konsumverhalten, und expandieren laufend.«

Andreas Ridder

Managing Director CBRE Österreich

Platz dafür gäbe es: Denn eine Reihe von Insolvenzen, an der Spitze die der Kika/Leiner-Gruppe, sowie Rückzüge internationaler Retailer (zum Beispiel XXL Sports) vom heimischen Markt „sorgen für viel Bewegung in etablierten Einkaufsstraßen und -zentren sowie für eine leicht steigende Leerstand­rate“, analysiert Mario Schwaiger, Leiter Einzelhandelsimmobilien bei EHL. Steigende Leerstandraten gelten jedoch nicht für die Toplagen: „Die Nachfrage nach absoluten Spitzenlagen ist ungeachtet der herausfordernden Lage im Gesamtmarkt ungebrochen stark.“

Mieten auf Rekordniveau

Für frei werdende Flächen gibt es dort fast immer mehrere Interessenten – die Mieten sind dadurch auf ein Rekordhoch geklettert. Vor allem das Luxussegment zeigt sich weiterhin relativ krisenresistent. Neuvermietungen am Graben und Kohlmarkt in den vergangenen acht Monaten sprechen jedenfalls für diesen Befund. „Wien ist für die führenden globalen Luxusmarken eine der wichtigsten Destinationen in Europa“, ist Schwaiger überzeugt. Im krassen Gegensatz zum Luxus suchen aber auch Lebensmittel-Sozialmärkte verstärkt nach neuen Flächen – ein Umstand, der die aktuelle (Not-)Situation von Teilen der Bevölkerung widerspiegelt. Grundsätzlich kann man sagen: Die derzeit hohe Inflation und hohe Kreditzinsen belasten die Perspektiven des österreichischen Einzelhandels, denn die Rückgänge der realen Kaufkraft bzw. frei verfügbarer Einkommen resultieren in einer Konsumzurückhaltung.

Diskonter profitieren

Mit Ausnahmen: „Diskonter profitieren von der schwierigen Lage und dem sich verändernden Konsumverhalten, und expandieren laufend“, sagt Andreas Ridder, Managing Director bei CBRE Österreich. Gesucht werden Flächen zwischen 300 und 1000 Quadratmeter, teilweise auch bis 1500 oder 2000 Quadratmeter für neue Diskontkonzepte etwa aus Deutschland oder Frankreich. Braune erkennt zudem einen weiteren Trend: Nicht unmittelbar im Einzelhandel, sondern in einer Branche mit ähnlichen Anforderungen, die unmittelbare Synergien zum Handel bildet: Entertainment. „Immer mehr interaktive Entertainmentkonzepte, großteils auch internationale, versuchen, den österreichischen Markt zu erobern.“ Da die Sichtbarkeit im Erdgeschoß sowie die Anknüpfung zum klassischen Einzelhandel für die Konzepte entscheidend seien, werden vornehmlich Geschäftslokale gesucht. Die neue Ergänzung in den Einkaufsstraßen belebt in Folge die Vielfalt, wovon langfristig auch die Händler profitieren sollten.

Kriterien für Investitionen

Die Investoren haben sich bereits an die aktuelle Marktsituation angepasst, stellt Schwaiger fest: „Sicherheit ist aktuell das Um und Auf für Immobilieninvestoren. Wichtigste Voraussetzung und oft unumstößliche Bedingung für ein Engagement sind lange Restlaufzeiten und starke Mieter.“ Am gefragtesten sind Fachmarktzentren und gute Stand-alone-Objekte, die für sich allein bewertet werden.

Auf einen Blick

Österreichs Verkaufsflächen werden insgesamt weiter schrumpfen. Neue Entertainmentkonzepte kommen, sind aber nicht wirklich ein Ersatz. Steigende Online-Anteile und die latente Kaufzurückhaltung sind im Handel immer stärker zu spüren. Diskonter profitieren von der schwierigen Lage und dem sich verändernden Konsumverhalten und expandieren. Während auch Luxusmarken in Toplagen expandieren, suchen hingegen Lebensmittel-Sozialmärkte ebenfalls nach Flächen.

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