IFA

In Berlin will Sony zu altem Glanz auferstehen und ein fahrender Koffer soll die Massen begeistern

Von Albert Einstein bis Falco, die IFA in Berlin blickt auf eine bewegte Geschichte zurück; von den ersten Röhrenempfängern bis hin zu Detektoren und Kopfhörern bis hin zu Trolley-Mopeds und Fernseher in Koffern. In 99 Jahren ändert sich viel und heute kämpft die Messe mit knapp 2000 Ausstellern um ihre Daseinsberechtigung.  

Die großen Highlights sind verschwunden. Die Hersteller wollen die Aufmerksamkeit nicht mehr teilen und haben sich auf eigene Events spezialisiert. Für die Besucher bietet sich zumindest einmal im Jahr die Möglichkeit alles an Neuheiten anzufassen, auszuprobieren und zu vergleichen. Und zu entdecken gibt es viel. Ein Überblick. 

Von Röhrenfernsehern hin zu smarten riesigen Leinwänden, die Kunstwerken wie die „Hochzeit zu Kana“ von Paolo Veronese im Louvre Konkurrenz machen - nicht nur aufgrund der Detailtreue, sondern auch ob der Größe. Mit 6,66 x 9,90 Metern ist es eines der größten Bilder auf Leinwand, die je geschaffen wurden. 

Und so messen sich Sony, Samsung, TCL und noch recht unbekannte chinesische Hersteller im Größenwahn. Nur, wer bitte hat auch die entsprechenden Räumlichkeiten für einen knapp 100 Zoll großen Fernseher. Im 16:9 Format sind das knapp 220 Zentimeter in der Breite und mehr als 120 Zentimeter in der Höhe. Hinweis: empfohlen wird, dass der Abstand zum Fernseher das 2,5-fache der Bildschirmdiagonale entspricht. Somit wären bei knapp 100 Zoll, das einer Bildschirmdiagonale von knapp 250 Zentimetern entspricht, sechs Meter Abstand nötig. Und da sprechen wir noch nicht einmal von den Preisen. 

Samsungs QNC990 mit 98 Zoll strahlt mit 8K auf LCD-Basis mit Mini-LED-Hintergrundbeleuchtung. Der Preis beläuft sich auf knapp 8000 Euro. Jene Modelle mit QLED oder Micro-LED (die Geräte bestechen durch eine Farbbrillanz und der Tatsache, dass sie keine Hintergrundbeleuchtung brauchen) werden ebenfalls im Großformat auf den europäischen Markt kommen. Die Preise will Samsung noch nicht nennen.

Doch auch im Fernseher-Bereich geht es heutzutage nicht mehr ohne entsprechendem Design. Immerhin nehmen die Geräte immer mehr Platz ein und wenn sie die meiste Zeit inaktiv sind, ist es einfach nur ein großer, schwarzer Fleck im Wohnzimmer. Hier hat Samsung unbestritten mit dem „The Frame“ neue Maßstäbe gesetzt. Ein Fernseher, der sich nach den Wünschen des Besitzers in ein Kunstwerk verwandelt. Hierfür geht Samsung regelmäßig Kooperationen ein. Aktuell mit Disney. Der Konzern feiert seinen 100. Geburtstag. Passend dazu gibt es einen eigenen neuen Rahmen. In limitierter Auflage und mit passenden Bildern aus der Marvel-, Disney-, Pixar-Welt. Es muss nicht immer Klimt oder Van Gogh sein, oder? 

Hinweis: Der Frame-Rahmen für Disney ist nur online auf samsung.com erhältlich. Wie viele Stück Samsung tatsächlich anbieten will, wollte man auf Nachfrage nicht sagen. 

Doch nicht nur Samsung will die Grenzen der heimischen Wohnzimmer sprengen. Auch wenn die Verkaufszahlen nach unten gehen, das nächste Fußball-Großevent steht in den Startlöchern. Daher will auch Grundig wieder groß durchstarten, bleibt aber preislich bodenständig. Die vorgestellten „FineArts“ Geräte werden in Größen zwischen 55 und 65 Zoll angeboten und sollen nicht mehr als 1400 Euro kosten. 

Aber Fernseher in den eigenen vier Wänden, das kann ja wohl jeder. Naturfreunde aufgepasst, LG hat jetzt einen Koffer im Angebot, der einen Fernseher beherbergt. Auch wenn der koreanische Hersteller nicht will, dass man den Bildschirm als Fernseher bezeichnet. Auf der IFA wurde der Koffer in eine idyllische Camping-Szene verfrachtet. Wer also statt idyllischem analogen Lagerfeuer eher nach digitalen Inhalten trachtet, ist mit dem StanbyME Go von LG gut beraten. 

Ein 27 Zoll großes Display passt in den Koffer und eine Fernbedienung ist im Lieferumfang enthalten. Das Gerät ist für den Außeneinsatz konzipiert: der Bildschirm spiegelt nicht, hält ein bisschen Salzluft auch gut aus und ist der Fernseher im Koffer, ist er auch gut geschützt. 1000 Euro kostet der Fernseherkoffer in den USA, wo er derzeit vorbestellt werden kann. Es ist davon auszugehen, dass, sollte er nach Europa kommen, der Preis sich in einem ähnlichen Rahmen bewegen wird. 

Einschätzung: Es ist ein lustiges Gadget. Damit auffallen wird man auch. In der Natur abends einen Film anschauen? Nun, wer will nicht jegliches Getier auf sich aufmerksam machen. Außerdem sollte ein Trip in den Wald gut geplant sein, denn das Gerät muss sechs Stunden aufgeladen werden, ehe es maximal drei Stunden ohne externer Stromquelle aushält. 

Auch Samsung will mit dem Freestyle Naturverbundenheit demonstrieren. Oder glauben Hersteller, dass es keiner mehr ohne technische Belustigungsgeräte draußen aushält? 

Der Freestyle kommt in der zweiten Generation und hat ein paar kleine Updates erhalten. Vor allem für all jene interessant, denen einer nicht ausreicht. Bis zu vier Geräte lassen sich nun für ein noch größeres Gerät koppeln. Wer das Gerät draußen nutzen will, kann es in Kombination mit einem Akku-Pack kaufen. Kostenpunkt: 1000 Euro. 

Einschätzung: Bei einem Kostenpunkt von knapp 1000 Euro sollte das Gerät mehr als nur spritzwassergeschützt sein. Das LG- sowie das Samsung-Produkt sollten zumindest wasserdicht sein. Außerdem wäre es fein, wenn sich mehrere Kopfhörer koppeln ließen, denn 

Fest steht: Nachhaltigkeit steht hoch im Kurs, es ist wahrlich ein schöner Begriff, um so alles Notwendige und Unsinnige auf den Markt zu schmeißen. Bis zu Ende gedacht wirken nur wenige Produkte. Jährlich werden bis zu 500.000 Tonnen Mikroplastik in die Meere gespült, das entspricht knapp drei Milliarden Polyester-Shirts. Im Großteil der Kleidung befindet sich Plastik in Form von Polyester oder Nylon. Bei jedem Waschgang werden kleine Partikel ausgespült und mit dem Wasser wieder abgepumpt. Einige Hersteller wollen jetzt ihren Teil gegen die Umweltverschmutzung beitragen. Dazu zählt auch der Mikroplastik-Filter von Samsung. Ein Aufsatz, den es nicht für alle Samsung-Waschmaschinen gibt, sondern nur für jene, die Elan-fähig sind und die Funktion „Eco-Bubble“ bieten. Der Filter kostet knapp 200 Euro. 

Ein Mikro-Plastik-Filter von Samsung. Nach 30 Wäschen muss er gereinigt werden.
Ein Mikro-Plastik-Filter von Samsung. Nach 30 Wäschen muss er gereinigt werden. (c) Die Presse/Barbara Steinbrenner

Ähnliche Angebote haben auch AEG und Beko im Programm; bereits seit dem Vorjahr. Ersterer verkauft sein Produkt für knapp 100 Euro. 

Einschätzung: Bei Sportkleidung und dergleichen lässt sich Plastik kaum vermeiden. Mit dem Filter beruhigt man aber vielleicht nur sich selbst. Denn nach 30 Waschgängen muss der Filter erst recht wieder geputzt werden. Somit landen dann die Überreste im Müll. Bei einer strikten Mülltrennung kann sich das Gadget rentieren. Wer nicht möchte, dass Mikroplastik direkt in die Weltmeere gespült wird, sollte vielleicht generell die Auswahl der Materialien seiner Kleidung überdenken. 

Empfehlung: Gewisse notwendige Kleidungsstücke kommen ohne Plastikanteile nicht aus. Doch auch hier können Schritte gesetzt werden, um das Freisetzen von Plastik zu verringern. Dazu gehört, die Stücke nicht ständig zu waschen und sie länger zu tragen, ehe sie ausgetauscht werden. Im Durchschnitt wird jedes Stück nach zehn Mal tragen, bereits aussortiert. Außerdem mögen besonders diese Stoffe niedrigere Temperaturen und je voller die Maschine ist, umso geringer ist die Reibung, weswegen auch weniger Mikroplastik ausgespült wird. 

Das Einhorn auf der IFA

Das war Sony. Der japanische Hersteller hat tatsächlich auch noch Handys im Portfolio. Das Xperia 5 V ist ungewöhnlich und tanzt erfrischend aus der Reihe: ein microSD-Kartenslot, ein Klinkenstecker-Anschluss für Kopfhörer. Dinge, die man heute in einem Smartphone vergeblich sucht.

Sony richtet sich mit dem Xperia 5 V explizit an - Überraschung - Kamera-affine-Nutzer. Das 6,1 Zoll große Device bietet einen 5000 mAh Akku. Für die nötige Geschwindigkeit wurde ein Qualcomm Snapdragon 8 Gen.2 verbaut. Sony setzt auf Zurückhaltung bei den Kameras und baut auf zwei Linsen (16mm und 24mm). Dank des Zwei-Schicht-Transistor-Pixels des Exmor-T-Sensors sollen auch Aufnahmen mit einer Brennweite von 48mm ohne Abstriche möglich sein.

Einschätzung: Das OLED-Display liefert eine gute Bildqualität und ein sattes Schwarz. Die kompakte Bauweise weiß zu gefallen. Dass hier Sony bei dem Modell zu Polycarbonat tendiert ist ungewöhnlich. Andere Hersteller setzen auf Aluminium und Samsung soll beim S24 schon auf Titanium setzen. Ob es heutzutage ausreicht, Menschen ansprechen zu wollen, die gerne Fotos schießen, darf bezweifelt werden. Sony hätte vor Jahren konsequent bei seiner Kompakt-Serie bleiben sollen. In dieser Nische wäre es möglich gewesen, sich gegen Samsung, Apple und Co. durchzusetzen. Heute wird der japanische Hersteller in Statistiken nicht einmal mehr aufgeführt. Laut Statist hat Sony 2020 knapp drei Millionen Geräte verkauft; weltweit. Auch das Xperia 5 V wird das nicht ändern, so die Einschätzung der „Presse“. Dafür ist das Gerät zu sehr am Markt vorbei entwickelt. 

Wirklich eine Nische gefunden hat der niederländische Hersteller Fairphone. Statt eines riesigen Stands setzte man auf die Showstoppers. Eine alljährliche Veranstaltung, die kleinen und auch sparsamen Anbietern die Möglichkeit gibt, in entspanntem Rahmen ihre Innovationen und Produkte zu zeigen. Dort konnten wir auch die kleinsten In-Ear-Kopfhörer der Welt von JBL ausprobieren. Ein Test folgt in Kürze, hoffentlich ohne Zwischenbesuch beim HNO-Arzt. 

Doch zurück zum Fairphone: Das Prinzip ist bekannt. Ein Smartphone, dessen wichtigsten und vor allem auch sensibelsten Komponenten austauschen lassen, oder auch upgraden. Fairphone bietet fünf Jahre Garantie auf seine Geräte. Zur Einordnung: nach meist zwei Jahren wandern die meisten Geräte in die Schublade (wobei sie das nicht sollten, warum, lesen Sie hier: Brandgefahr: Handy, Tablets und Turnschuhe richtig entsorgen.

Doch darüber hinaus bietet Fairphone zudem auch noch acht Jahre Sicherheitsupdates. Damit ist der Hersteller Branchenprimus. Das gilt auch für die 10 von 10 Punkten, die iFixit vergeben hat. Damit ist es das Smartphone, das sich am besten selbst reparieren lässt. Während im Gegensatz dazu Apple und Samsung nahezu alle Komponenten verkleben und ein Reparieren immer schwieriger wird und ohne Profis nicht mehr machbar ist. 

Hinzu kommt, dass Fairphone nun auch Kopfhörer produziert. Einen ersten Eindruck konnten wir uns bei den Showstoppers verschaffen. Die In-Ear-Geräte kommen auf knapp 100 Euro, die Fairbuds XL, ebenfalls mit modularen Komponenten, kommen auf knapp 250 Euro. 

Nicht am Markt, sondern vielmehr an der Realität vorbei entwickelt, ist der Airwheel. Ein Koffer, der einen mit bis zu 13 Kilometern pro Stunde durch die Gegend fährt. Der Kostenpunkt: knapp 1000 Euro. Es gibt auch eine eigene Produktlinie für Kinder, in entsprechendem Design. 

(c) Airwheel.

Auf der IFA (die früher Internationale Funkausstellung hieß) gab es kein Entrinnen. Die Werbetrommel wurde kräftig gerührt, dafür wurde man auch an fast jeder Ecke davon umgefahren. Und beim Anblick der düsenden Koffer sah man sich schon entspannt am Flughafen - selbst wenn man einmal spät dran ist. Aber hier kommt wieder einmal die böse Praxis… 

Einschätzung: Der Koffer wiegt knapp acht Kilogramm. Also bis auf ein paar Unterhosen und eine Zahnbürste hat nicht mehr viel Platz. Einchecken geht aber nicht, weil der Koffer einen Akku verbaut hat. Fazit: ein lustiges Gadget, aber für Reisende, die auch einmal in ein Flugzeug steigen leider ungeeignet. 

2000 Hersteller aus 45 Ländern locken mit Demonstrationen und Shows bis Dienstag, 5. September, um die Gunst der Besucher. Die Veranstalter haben aber nach den überstandenen Querelen mit der Messe Berlin zugesichert, dass sie bis 2032 bleiben wollen. Wenn bis dahin wieder mehr Besucher kommen sollen, hat die gfu eine Menge zu erledigen. Allen voran muss es Hersteller überzeugen, dass sie wieder ihre Produktpräsentationen nach Berlin bringen. Dass alle ihre eigene Suppe kochen und vorab präsentieren passt auch nicht ganz in die Nachhaltigkeitsmaschinerie, die sie aktuell in Berlin propagieren. Hinzu kommt, dass die Messe Berlin selbst auch noch einiges bereinigen muss. Angefangen von der gescheiterten Aufwertung der Medientage, die weiterhin nichts mehr als Baustellentage sind. Für Journalisten gibt es an den zwei Tagen fast nichts zu sehen. Der Empfang ist eine Katastrophe und Berlin präsentiert Deutschland als Mobilfunk-Brachland. Kartenzahlung funktioniert vielleicht ein paar Minuten pro Stunde, wenn nicht gerade wieder alles zusammenbricht. Die Innovationen und Zukunftsthemen verblassen im grellen Licht der Realität. Zum 100 Geburtstag der IFA 2024 muss einiges passieren.

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