Hintergrund

Republik Moldau durch Ukraine-Krieg verunsichert

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WGEPA pictures / Manuel Binder
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Moldau mit 2,6 Millionen Einwohnern liegt zwischen der Ukraine und dem EU-Mitglied Rumänien. Seit den 1990ern sind russische Soldaten in Transnistrien, auch die autonome Region Gagausien fasst Abspaltung ins Auge. Fußball gespielt wird dennoch.

Die Republik Moldau - am Donnerstag (20.30 Uhr) in Linz Testgegner von Österreichs Fußball-Nationalteam - ist durch den russischen Angriff auf die Ukraine zutiefst verunsichert. Moldau ist ebenso wie die Ukraine EU-Beitrittskandidat. In der kleinen und von Armut geplagten Ex-Sowjetrepublik hat Russland aber traditionell einen großen Einfluss - insbesondere in der abtrünnigen Region Transnistrien, wo seit den 1990er Jahren russische Soldaten stationiert sind.

Im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine warnten internationale Beobachter immer wieder davor, dass Moskau Unruhen in der Region als Vorwand nutzen könnte, um die Lage zu eskalieren. Das kleine Moldau mit 2,6 Millionen Einwohnern liegt zwischen der Ukraine und dem EU-Mitglied Rumänien. Die pro-europäische Regierung Moldaus unter Regierungschefin Maia Sandu hat den russischen Angriffskrieg in der benachbarten Ukraine scharf verurteilt. Sandu beklagte zuletzt immer wieder Einmischung und geplante Umsturzversuche durch russische Geheimdienste in ihrem Land.

Ein schmaler Landstreifen an der Grenze zur Ukraine

Ende Juli verwies die Regierung in Chisinau „wegen zahlreicher unfreundlicher Handlungen“ 45 russische Diplomaten und Botschaftsmitarbeiter des Landes. Dadurch werde es „weniger Menschen geben, die die Lage in unserem Land versuchen zu destabilisieren“, sagte Außenminister Nicu Popescu. Medien in Moldau hatten zuvor berichtet, dass sich auf dem Dach der russischen Botschaft in der Hauptstadt Chisinau und einem Nachbargebäude 28 Antennen befinden, die zur Spionage genutzt werden können.

Besonders prekär ist die Lage in der von pro-russischen Separatisten kontrollierten selbst ernannten Republik Transnistrien. In dem schmalen Landstreifen an der Grenze zur Ukraine sind seit 1992 rund 1.00 russische Soldaten stationiert. Chisinau wirft Moskau vor, konkrete Pläne zum Sturz der derzeitigen Regierung in Moldau zu hegen.

Angesichts der für Anfang November angesetzten Kommunalwahl in der Republik Moldau steigt Russlands Druck auf das Land zurzeit exponentiell, da Moskau nach wie vor bemüht ist, die Westorientierung der früheren Sowjetrepublik unter allen Umständen zu verhindern. Aktuell nutzt Moskau den auf Hochtouren laufenden Wahlkampf in Moldau, um den prorussischen Parteien zu neuem Aufwind zu verhelfen und die Lage im Land weiter zu eskalieren, einschließlich durch einen sich andeutenden neuen Territorialkonflikt.

Der Geheimdienst SIS

Das spannendste Rennen der Kommunalwahl vom 5. November (Stichwahl 19. November) wird in der Hauptstadt Chisinau erwartet, wo der Vizechef der proeuropäischen Regierungspartei Aktion und Solidarität (PAS), Lilian Carp, den amtierenden Bürgermeister Ion Ceban herausfordert. Ceban, der vor vier Jahren noch auf den Wahllisten der prorussischen Sozialisten (PSRM) angetreten war, steht mittlerweile einer neuen Partei namens Bewegung Nationale Alternative (MAN) vor, die aktuell in einen Skandal verstrickt ist. Der moldauische Geheimdienst SIS hatte nämlich im Juli bekannt gegeben, dass ein inzwischen wegen Spionage des Landes verwiesener Mitarbeiter der russischen Botschaft in Chisinau als politischer Berater der MAN fungiert hatte.

Ceban selbst dementierte daraufhin in einer Aussendung jegliche Nähe seiner noch jungen Partei zu Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und forderte zudem die umgehende Einstellung des wegen des Verdachts auf Spionage und Landesverrat eingeleiteten Ermittlungsverfahrens. Die proeuropäische Staatspräsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, beklagte indes zum wiederholten Mal die stetigen Destabilisierungsversuche russischer Geheimdienste in ihrem Land und mahnte die Bürger ausdrücklich zu Bedachtheit und Vorsicht angesichts der im Zuge des Wahlkampfes zunehmenden Kreml-Propaganda und Manipulationskampagnen im Land.

Gegensätze, welche?

In Moskau zeigte sich die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, unterdessen jüngst vor dem Hintergrund des nahenden Urnengangs in Moldau davon überzeugt, dass die Ex-Sowjetrepublik demnächst wieder der russischen Einflusssphäre angehören wird. Die bilateralen Beziehungen würden „schon bald wieder das vorherige Niveau“ erreichen, weil die derzeitigen Entwicklungen in Moldau „gekünstelte, unnatürliche“, von „Maia Sandu und ihrem Regime eingefädelte“ seien. Es gebe „keinerlei Gegensätze zwischen unseren beiden Völkern“, diese würden den Moldauern von Sandu und ihrem Team bloß eingeredet, sagte Sacharowa Mitte August laut staatlicher russischer Nachrichtenagentur RIA Nowosti.

Tatsächlich ist Russlands Einfluss insbesondere in den ländlichen Gebieten der armuts- und krisengebeutelten Moldau nach wie vor hoch - neben dem abtrünnigen Transnistrien vornehmlich auch in der im Süden des Landes gelegenen autonomen Region Gagausien. Dort brachte der Präsident der „Volksversammlung“ bzw. des regionalen Parlaments, Dmitri Konstantinow, erst in den vergangenen Tagen überraschend die „Gründung einer gagausischen Republik“ und damit eine Abspaltung von Moldau ins Gespräch. Die Abspaltung werde „vom gagausischen Volk gefordert“, weil die moldauischen Behörden „geltendes Autonomierecht zunehmend missachten“ würden, behauptete Konstantinow, demzufolge der Vorschlag schon am 9. September anlässlich eines Treffens der wichtigsten Kommunalpolitiker des Gebiets eingehend erörtert werden soll.

Ein neuer Territorialkonflikt bzw. sezessionistischer Trend in Moldau läge eindeutig im Interesse des Kreml, weil er für das kleine Land ein de facto kaum überwindbares Hemmnis auf dem Weg zur erhofften Aufnahme der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union darstellen würde.

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