Baulärm muss man ertragen

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Symbolbild(c) Clemens Fabry
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Wenn die Baustelle nebenan zu laut ist, müssen Firmen und Mitarbeiter da meist durch. Einen Unterlassungsanspruch gibt es kaum, höchstens finanziellen Ausgleich.

. . An zu viel Lärm, den Anrainer nicht hinnehmen wollen, könnte sogar die Rückkehr der Formel1 nach Österreich noch scheitern. Das UVP-Abnahmeverfahren muss neu aufgerollt und die Anrainer müssen einbezogen werden („Die Presse“ berichtete).

Lärmemissionen sorgen auch in alltäglicheren Szenarien oft für Ärger: Nicht nur Wohnungsinhaber leiden unter lauten Nachbarn, auch für Unternehmen wird Beschallung, die vom Nachbargrundstück ausgeht, oft zum ernsten Problem. Spätestens dann, wenn wegen des Geräuschpegels nicht mehr vernünftig gearbeitet werden kann. Und dadurch womöglich ein Einnahmenausfall droht.

Oft ist eine Baustelle die Ursache, das Ärgernis hat also ein Ablaufdatum. Was aber in der konkreten Situation auch nicht viel hilft. Vielmehr stellt sich die Frage: Muss man das überhaupt akzeptieren? Oder müsste nicht der Bauherr am Nachbargrundstück darauf achten, den nebenan laufenden Betrieb möglichst wenig zu stören? Und vielleicht die Arbeiten zu einer anderen Tageszeit durchführen?

Kein Unterlassungsanspruch

Im Normalfall muss er das nicht. Es stimmt zwar, dass man grundsätzlich keinen Lärm dulden muss, der über das ortsübliche Maß hinausgeht. Aber: Hat der Nachbar eine behördliche Genehmigung – hier: eine Baubewilligung –, „besteht kein Unterlassungsanspruch“, sagt Klaus Pfeiffer, Immobilienrechtsexperte bei Dorda Brugger Jordis. Allenfalls steht einem aber ein finanzieller Ausgleich zu.

Ist man Eigentümer des Gebäudes, muss man sich diesbezüglich an den Bauherrn wenden. Ist man Mieter, ist der Vermieter bzw. die Hausverwaltung der erste Ansprechpartner. Dem Vermieter gegenüber hat man ein Mietzinsminderungsrecht, wenn das Mietobjekt nicht mehr dem bedungenen Zustand entspricht. Die Judikatur dazu sei aber sehr einzelfallbezogen, sagt Pfeiffer.

Zehn bis 20Prozent Zinsminderung könnten ein Richtwert sein. In Einzelfällen kann es mehr sein: Etwa wegen Lärms vom Abbruch des Nachbargebäudes seien auch schon 25Prozent zugesprochen worden, sagt Pfeiffer. Generell sei die Judikatur jedoch eher restriktiv.

Pflicht zum Arbeitnehmerschutz

Diejenigen, die den Lärm tatsächlich aushalten müssen, sind die Mitarbeiter des Unternehmens. Hier kommt der Arbeitsschutz ins Spiel – konkret eine Verordnung zum Arbeitnehmerschutzgesetz, die Grenzwerte für „störenden“ und „gehörgefährdenden“ Lärm festschreibt. Letzterer ist bei einem Dauerschallpegel über 80 Dezibel (dB) gegeben. Der Grenzwert für störenden Lärm ist bei „überwiegend geistiger Tätigkeit“ aber schon bei 50dB erreicht – das entspricht etwa der „Zimmerlautstärke“ oder einer normalen Unterhaltung. Lauter darf es auf Dauer nicht sein. Bei einfachen Büro- oder vergleichbaren Tätigkeiten dürfen 65dB nicht überschritten werden. Zusätzlich definiert die Verordnung auch noch „Spitzenschalldruck“-Werte.

Bei Überschreitung der Grenzwerte muss der Arbeitgeber etwas dagegen tun. Zum Beispiel Gehörschutz für die Mitarbeiter bereitstellen, so Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Kinner. „Den müssen sie dann aber auch verwenden.“ Auch organisatorische Maßnahmen kommen infrage, etwa eine Änderung der Arbeitszeiten, Arbeitsunterbrechungen oder dass vorübergehend ein Besprechungszimmer, das weiter weg von der Schallquelle ist, zum Arbeitsraum umfunktioniert wird. Selbst Containerbüros an einem ruhigeren Ort seien deshalb schon eingerichtet worden, sagt Kinner. Dafür gelten erleichterte Bedingungen, etwa hinsichtlich Raumhöhe oder Mindestgröße.

Ignoriert der Arbeitgeber das Problem, kann das Arbeitsinspektorat eingreifen und im Extremfall das Weiterarbeiten verbieten. Bleibt ein Mitarbeiter, der den Lärm nicht mehr aushält, einfach daheim, tut er das aber auf eigenes Risiko – höchstens in Extremfällen und wenn der Arbeitgeber nichts tut, um Abhilfe zu schaffen, könnte das gerechtfertigt sein. Man müsse sich aber jedenfalls arbeitsbereit erklären, sagt Kinner, und auch Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen, etwa den unbequemeren Arbeitsplatz im Container. Andererseits kann der Arbeitgeber den Mitarbeitern nicht die Schuld geben, wenn wegen des Lärms die Arbeitsleistung nachlässt.

Besser, als am Ende über Entschädigungen zu streiten, sei es, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen, sagt Pfeiffer. „Auch das Bauunternehmen einbeziehen“, rät er. Von dort seien am ehesten Ideen zu erwarten, wie sich die Störungen im Rahmen halten lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2013)

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