Polin diskriminiert: Stadt Wien verliert Prozess

Polin diskriminiert Stadt Wien
Polin diskriminiert Stadt Wien(c) Fabry
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Eine im AKH gemobbten Polin wurde gekündigt. Die Stadt erklärte, dass Polen keine »andere Ethnie« und daher nicht geschützt seien. Auf biologische Unterschiede komme es nicht an, sagen die Gerichte.

Wien. Wer wegen seiner Ethnie diskriminiert oder sogar gekündigt wird, kann den Arbeitgeber klagen – und fordern, dass eine Kündigung aufgehoben wird. Der Begriff der ethnischen Diskriminierung sei weit zu verstehen, betont der Oberste Gerichtshof (OGH) in einem aktuellen Fall. Es komme nicht darauf an, dass tatsächlich ethnische Unterschiede zwischen dem diskriminierten Mitarbeiter und den anderen bestehen. Es reiche, wenn ein Mitarbeiter „herabgesetzt“ werde und dabei auf seine ausländische Herkunft Bezug genommen werde.

Im Anlassfall ging es um eine gebürtige Polin, die in Österreich eingebürgert ist. Sie klagte die Stadt Wien. Denn die als Hilfsköchin im AKH beschäftigte Frau war nach Differenzen mit einem Vorgesetzten und nach langen Krankenständen gekündigt worden. Die Frau forderte, dass die Kündigung für rechtsunwirksam erklärt wird. Denn arbeitsrechtlich ist es verboten, jemanden infolge von ethnischer Diskriminierung zu kündigen. Ein Vorgesetzter habe sie wegen ihrer polnischen Herkunft aber mehrfach beleidigt, gab die Frau an. Sie sei als unhygienisch, als Diebin und Lügnerin sowie als „dumm und ohne Gehirn“ bezeichnet worden. Sie habe Arbeit für zwei verrichten müssen und dadurch einen Bandscheibenvorfall und Depressionen erlitten, was den Krankenstand ausgelöst habe, sagte die Frau.

Stadt: Viele Ausländer im AKH

Die Stadt Wien widersprach: Die Frau sei nicht wegen ihrer Herkunft, sondern wegen der vielen Krankenstände gekündigt worden. Im AKH würden schließlich viele Ausländer arbeiten. Zudem gehöre die Frau „als gebürtige Polin keiner eigenen Ethnie an“. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien erklärte nach Zeugenvernehmungen, dass die Aussagen der Frau glaubhaft seien. Blieb die Frage, ob man eine Polin in Österreich überhaupt „ethnisch“ diskriminieren kann. Das Gericht betonte aber, dass der Begriff der Ethnie weit auszulegen sei. „Irgendeine Form der biologischen Verschiedenheit ist für den Begriff der ethnischen Zugehörigkeit gerade nicht erforderlich“, betonte es. Die Frau sei in der Arbeit einer „fremden“ Gruppe zugeordnet und der Gruppe der Österreicher gegenübergestellt worden. Das reiche aus, um eine Diskriminierung zu erkennen. Die Kündigung sei aufzuheben.

Das Oberlandesgericht Wien und der Oberste Gerichtshof (9 Ob A 40/13t) bestätigten diese Entscheidung. Der längere Krankenstand der Frau habe auch aus einer Erschöpfungsdepression resultiert. Und Ursache dafür sei wiederum die psychische Belastung durch das Verhalten ihres Vorgesetzten gewesen. Es liege eine ethnische Diskriminierung vor. Die Höchstrichter verwiesen auf die Gesetzesmaterialien und die juristische Literatur, der zufolge man den Begriff der ethnischen Zugehörigkeit nicht zu eng ziehen darf. Es reiche, wenn wie im vorliegenden Fall eine „durch herabsetzende Bezugnahme auf die ausländische Herkunft zum Ausdruck gebrachte Fremdzuschreibung“ vorliege.

Wo beginnt die andere Ethnie?

Doch wie definiert man nun den Begriff der Ethnie? Man stelle dabei auf verschiedene Kriterien ab, sagt Birgit Gutschlhofer-Emerich von der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Gespräch mit der „Presse“. So würden etwa die Faktoren Herkunft, Hautfarbe, Kultur und Sitten eine Rolle spielen. Es gebe aber auch unter Experten immer wieder Diskussionen, ab wann eine Ethnie vorliege. So sei sogar schon darüber debattiert worden, ob nicht bereits Burgenländer, die am Arbeitsplatz Burgenländerwitze erdulden müssen, ethnisch diskriminiert werden.

Bekannt ist ein Burgenländerfall in der Judikatur freilich nicht. Wer aber wegen seiner ausländischen Herkunft am Arbeitsplatz schlecht behandelt werde, habe in der Regel „sehr gute Chancen“, Recht zu bekommen, meint die Gleichbehandlungsanwältin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2013)

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