Weshalb Michael Spindelegger auf der Stelle tritt

Das bürgerliche Lager ist fragmentiert – auch, weil die ÖVP Probleme mit ihren innerparteilichen Parteien hat. Und die Wahllinie beruht auf einem Irrtum.

Es war ein seltener Anflug echten Humors im Wahlkampf: Was sei der Unterschied zwischen einem SPÖ- und einem ÖVP-Parteitag, fragte Michael Spindelegger beim Tag der offenen Tür einer Wiener Zeitung. Und gab selbst die Antwort: „Keiner. Bei beiden wird über die ÖVP geschimpft.“

Der Mann weiß, wovon er redet, er hat den undankbarsten Job der Republik, er hat die ÖVP in der Krise übernommen und ist nun deren Kanzlerkandidat. Die daran Gescheiterten sind Legion: Wilhelm Molterer, Erhard Busek, Josef Riegler, Alois Mock und Josef Taus. Nur Wolfgang Schüssel schaffte es am Verhandlungstisch und konnte später den Kanzlersessel einmal klar verteidigen.

Noch nie war die Ausgangslage so schwierig für die Schwarzen: Mit FPÖ und Team Stronach treten Parteien an, die zwischen links- und rechtspopulistischen Positionen wechseln. Bei gesellschaftspolitischen Themen fischt eher die FPÖ, bei wirtschaftspolitischen eher Frank Stronach rechts der Mitte. Und dann sind da die beiden Kleinen, deren Überleben beziehungsweise Einzug ins Parlament fast ausschließlich davon abhängt, ob es gelingt, bisherige oder potenzielle ÖVP-Wähler anzusprechen.

Sowohl Neos als auch das BZÖ Josef Buchers treten mit Forderungen an, die früher der Volkspartei zuzuschreiben waren und die von dieser wenig bis selten umgesetzt wurden: wirtschaftsliberale Positionen, die nach Wolfgang Schüssel in der ÖVP von Arbeitnehmer- und Bauernbund klein gehalten wurden. Wenn Michael Spindelegger unentwegt vom Entfesseln der Wirtschaft spricht, mag dies sein Anliegen sein, die Konkurrenz rechts der Mitte macht die Konzentration auf Wirtschaft unumgänglich. Allein das ist schon ein erster Erfolg der neuen oder neu angestrichenen Parteien. Zwischen den beiden Minis gibt es einen fundamentalen Unterschied: Das BZÖ schleppt den größten Negativrucksack mit sich, Buchers Distanzierung von Jörg Haiders Finanzsystem und dem Hypo-Alpe-Adria-Fiasko kann nicht glaubwürdig sein. Die Neos sorgen für frischen Wind, auch wenn manche schon jetzt mit dem (falschen) Selbstbewusstsein von Regierungsfunktionären auftreten. Dass sie im Gegensatz zur ÖVP für Privatisierungen und eine echte Pensionsreform eintreten, ist sehr erfreulich. Dass sie zwischen Matthias Strolz und Niko Alm beziehungsweise Hans Peter Haselsteiner in den alten Rechts/Links-Konflikt des Liberalen Forums zu gleiten drohen, auch wenn sie das natürlich in Abrede stellen, ist weniger erfreulich.


Allein: Führt die Fragmentierung des bürgerlichen Lagers zu einer Schwächung desselben? Natürlich macht sie das, aber erstens war es schon schwach, zweitens brauchen notwendige Reformen in Organisationen wie der ÖVP immer Druck, und drittens prägen die Plakate mit den affichierten Forderungen nach mehr Eigenverantwortung und niedrigeren Steuern vielleicht die Diskussion in einem Land, in dem sonst gern Urlaubsverlängerungen und Überstundenaufzahlungen diskutiert werden.

Vor allem aber: Es gab – unabhängig von der FPÖ – schon immer mehrere Parteien rechts der Mitte. Sie alle haben sich nur unter einem gemeinsamen Dach gesammelt: dem der ÖVP. Diese kleiner gewordene Sammelbewegung dürfte laut Umfragen einmal mehr nicht das Bundeskanzleramt erobern. Das mag am Mangel an Strahlkraft liegen, den Spindelegger mit einigen anderen Kandidaten teilt. Das mag an der Stärke der SPÖ-Organisation liegen: Inhaltlich mag wenig zu hören sein, strukturell beherrscht Norbert Darabos seinen Job. Das mag auch an der tollpatschigen ÖVP-Wahlkampflinie liegen: Verständlich, dass die ÖVP den ländlichen Raum nach Wahlsiegen beziehungsweise Wahl-Nichtniederlagen liebt, aber in der Stadt mit Sujets zu werben, die der Österreich-Werbung hätten entliehen sein können, ist seltsam.

Die Linie der deutschen Agentur scheint auf einem Irrtum zu beruhen: Aus bundesdeutscher Sicht ist es ein schönes, fröhliches Land, zu dem diese zynisch-pessimistischen Journalisten, Politiker und Medien nicht passen wollen. Dummerweise fühlen sich viele Wähler 2013 auch nicht wie die Statisten eines Tourismus-Spots. Und ÖVP-Wähler sind – siehe oben – von Natur aus keine Optimisten.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2013)

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