Glawischnig und der entscheidende Treffer knapp vor Spielende

Glawischnig
Glawischnig(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Am Tag, nachdem sie Kanzler Werner Faymann in Erklärungsnot gebracht hat, besucht die Grünen-Chefin das Fußball-Ländermatch.

Wien. Im Fußballjargon nennt man das einen Treffer in der Nachspielzeit. Ingrid Thurnher hatte das ORF-Wahlduell am Montagabend zwischen Werner Faymann und Eva Glawischnig eigentlich schon abmoderiert, als die Grünen-Chefin ein Taferl zückte, auf dem ein Wahlplakat der SPÖ zu sehen war.

Glawischnig zeigte auf das Impressum links oben, das den Parlamentsklub der SPÖ als Financier der Plakatserie entlarvte. Experten sehen darin eine unerlaubte Parteispende, denn der Klub hat sein Geld für die parlamentarische Arbeit zu verwenden. Der Partei darf er kein Geld spendieren. Faymann reklamierte ein Foulspiel: „Sie werden doch nicht glauben, dass der Bundesgeschäftsführer was Unerlaubtes getan hat.“ Nun ja.

Am nächsten Tag gibt die SPÖ bekannt, dass sie das Geld für die Plakate, immerhin 1,5 Millionen Euro, zurückzahlen werde. Zur Sicherheit, sagt Norbert Darabos, der Bundesgeschäftsführer, in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am frühen Abend. Denn die Rechtslage sei nicht eindeutig.

Etwa zeitgleich betritt Eva Glawischnig ein Lokal am Wiener Rathausplatz. Sie trägt weiße Converse, weiße Jeans und ein rotes T-Shirt mit der Aufschrift „Fußballgöttin“. Die Gäste im Gastgarten nehmen eine aufrechte Haltung ein. Manche haben einen rot-weiß-roten Schal um den Hals, einer ist sogar im Trikot der Nationalmannschaft gekommen.

Die Grünen haben unter ihren Sympathisanten Karten für das Länderspiel gegen Irland verlost. In einer Stunde ist Abfahrt zum Ernst-Happel-Stadion, mit dem grünen Tourbus. Glawischnig bestellt einen weißen Spritzer und nützt die Zeit für Werbung in eigener Sache. Die meisten Anwesenden muss sie allerdings nicht überzeugen, sie werden am 29. September ohnehin die Grünen wählen.

Im Hintergrund tuschelt der Stab über die Reaktionen der SPÖ auf die Plakat-Malaise. Vizeklubobmann Werner Kogler, der auf das Fußballfan-Outfit verzichtet hat, fühlt sich in seinem Generalverdacht gegen die Regierungsparteien bestätigt, während Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner seine Schadenfreude nicht verbergen kann.

Dann entfährt der Parteichefin ein Scherz. Als sie zwischendurch einen Blick in Unterlagen wirft, die ziemlich wichtig anmuten, bemerkt Glawischnig die neugierigen Blicke einer Dame im Rollstuhl. „Das sind schon die Taferln für die nächste TV-Runde.“

Von langer Hand war der Angriff gegen Faymann aber nicht geplant. Der gelernte Fußballfan würde es einen Zufallstreffer nennen: eine unaufmerksame SPÖ. Ein aufmerksamer Mitarbeiter der Grünen, der Verdacht schöpfte. Einige Recherchen der Kampagnenleitung. Und schließlich Glawischnigs Einsatz in letzter Minute, an den die Parteifreunde nach der eher kuscheligen ersten Halbzeit schon nicht mehr geglaubt haben.

„Kennst' dich beim Fußball wirklich aus?“

Als der Bus vor dem Stadion hält, sind gerade die Fanmassen in Bewegung. Glawischnig bleibt nicht lange unerkannt. „Kennst' dich beim Fußball wirklich aus?“, fragt ein Passant, der am Nachmittag schon ein bisschen vorgefeiert haben dürfte. „Natürlich. Mein Mann war Fußballprofi.“ Ein anderer verspricht, dieses Mal nicht „den HC und die FPÖ“, sondern grün zu wählen. „Passt“, sagt Glawischnig und lächelt verlegen.

Am Fußweg zum Stadion: Reizüberflutung. Buhrufe von links, Komplimente von rechts: „Die ist ja noch schöner, als im Fernsehen.“ Skeptische Blicke hier, Fotowünsche da. Stress? „Nein“, sagt Glawischnig. „Das ist eine gute Gelegenheit für die Grünen, zu zeigen, dass wir auch ganz normal sind.“

Vor dem Stadioneingang stößt der Abgeordnete Dieter Brosz zum Tross und berichtet, dass SPÖ-Klubobmann Josef Cap in der „ZiB2“ zu Gast ist, um die unerlaubte Spende an die Partei zu rechtfertigen. Man würde sich am liebsten gegenseitig auf die Schulter klopfen – wenn da nicht dieses Kamerateam vom ORF wäre. Die Parteichefin wechselt das Thema: „2:1, das ist mein optimistischer Tipp.“ Dann geht es los.

Glawischnig nimmt im Sektor E Platz, dritter Rang, ein konventioneller Klappsitz mitten im Getümmel. Das soll Volksnähe demonstrieren. Gegenüber, auf der anderen Seite des Spielfeldes, befindet sich der VIP-Bereich samt Kanzler. Sehen kann man ihn von hier aus nicht. Spüren schon, irgendwie.

Nach dem „Radetzky-Marsch“, zu dem sie – immer im Takt – die Österreich-Fahne geschwungen hat, wird Glawischnig kurz unsicher. Ob diese Plakatgeschichte die breiten Massen überhaupt interessiert? Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner schaut auf dem Handy gerade die Zeitungen von morgen durch und bemerkt, dass die „Kronen Zeitung“ keine Zeile darüber berichtet hat. Man einigt sich auf Zweckoptimismus: Die Packeleien der anderen nützten immer den Grünen.

Sympathien für Alaba und Kavlak

„Spielt der Janko?“, fragt Glawischnig noch schnell, bevor sie die Bundeshymne singen muss. Man merkt, dass sie aus einer musikalischen Familie kommt. Der Janko sitzt auf der Ersatzbank. Dafür stehen David Alaba und Veli Kavlak in der Startelf. Für Spieler mit Migrationshintergrund hat die Grünen-Chefin besondere Sympathien. Anpfiff.

Der Einsatz ist bemerkenswert. Wenn die Österreicher eine Chance vergeben, schreckt Glawischnig auf und schlägt die Hände vor dem Gesicht zusammen. Sie klatscht und macht die Welle. Problematisch ist nur die Trikotfarbe der Iren. „Wer nicht hüpft, der ist ein Grüner“, skandieren die Fans. Glawischnig muss wohl oder übel sitzen bleiben.

Als Alaba kurz vor Spielende das entscheidende Tor erzielt, hat Werner Kogler eine Erleuchtung: „Das ist mehr wert als zehn Jahre Integrationspolitik.“ Eva Glawischnig ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr da, sie hat das Stadion bereits in der Pause verlassen. Ein Auftritt im Frühstücksfernsehen am nächsten Morgen, um fünf Uhr Früh, steht an. Sie brauche noch ein bisschen Schlaf.

Dieses Mal war ihr Timing also eher schlecht. Offside, würde der irische Fußballfan sagen: im Abseits. Werner Kogler und Stefan Wallner klatschen stellvertretend für die Parteichefin: „Super Stimmung, oder? Wie bei uns im Wahlkampf.“ Euphorie kann ansteckend sein. Schlusspfiff.

Apropos Transparenz: Die Karten für den Autor und den Fotografen wurden von den Grünen bezahlt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2013)

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