Morgenglosse

Von der Leyen, ihr Pony, und der böse Wolf

Die Familie von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts, noch zu Berliner Regierungszeiten) liebt Pferde. Jenes im Bild ist jedoch nicht die tragische „Dolly“.
Die Familie von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts, noch zu Berliner Regierungszeiten) liebt Pferde. Jenes im Bild ist jedoch nicht die tragische „Dolly“. JOCHEN LUEBKE / AFP / picturedes
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Die um sich greifende Vorstellung, die EU wolle den Abschuss von Wölfen bloß deshalb vereinfachen, weil ein Isegrim das Lieblingspony der Kommissionspräsidentin gerissen hat, legt tiefe Unkenntnis und bedenkliche Verachtung der Union offen.

Die Story ist einfach zu gut: weil ein (noch dazu amtsbekannter) Problemwolf das Lieblingspony der Präsidentin der Europäischen Kommission getötet hat, sinnt diese nun auf Rache – und nimmt gleich die gesamte Spezies Canis lupus in Sippenhaftung. Vor einem Jahr riss der Rüde namens „GW950m“ die arme „Dolly“, ergab die Analyse von Tatortspuren seines Erbgutes. Zum Jahrestag dieses betrüblichen Ereignisses wandte sich von der Leyen persönlich mittels Presseaussendung an die interessierte Öffentlichkeit und erklärte, dass die Vermehrung der Wolfspopulationen in manchen Gegenden Europas zur Gefahr für Herdentiere und unter Umständen auch für Menschen werden könne. Bis 22. September sind Gemeinden, Forscher und „alle am Thema Interessierten“ eingeladen, der Kommission Daten über die Entwicklung der Wolfspopulationen und die daraus erfolgenden Konsequenzen zu übermitteln. Die Kommission wolle darauf basierend einen Vorschlag machen, der den geltenden, gesetzlich garantierten Schutzstatus für den Wolf ändern dürfte. Sukkus: der Abschuss von „Problemwölfen“, also solchen, die nachweislich wiederholt Nutztiere reißen oder sich nicht davon abbringen lassen, zu nahe an menschliche Siedlungen zu kommen, dürfte erleichtert werden.

Die Herrin über die ungewählten Brüsseler Eurokraten, die aus persönlicher Ranküne EU-Vorschriften umbiegen lässt? So stellen sich, wie erstaunlich viele Reaktionen in den sozialen Medien vermuten lassen, nicht wenige Zeitgenossen die Usancen des Europäischen Einigungswerks vor. Doch bloß, weil von der Leyen ein persönliches Interesse an Pferden hat, und eines der ihren von einem Wolf gerissen wurde, heißt das noch lange nicht, dass sie per Federstrich Vergeltung üben kann. Übersehen wird zudem, dass die deutsche grüne Umweltministerin, Steffi Lemke, vor von der Leyens Ankündigung bereits im Interview mit der „Welt“ erklärt hatte, ihre Meinung geändert zu haben und den Schutzstatus des Wolfes nun doch ändern wolle. Übersehen wird zudem, dass es nun mitnichten allen Wölfen in Europa an den Pelz gehen soll. Der Ministerpräsident von Niedersachsen (dort ist von der Leyens Pferdestall), Stephan Weil, erklärte dieser Tage, natürlich brauche es in der EU generell noch einen speziellen Schutz für den Wolf. Bloß stelle dessen Vermehrung in manchen Regionen ein wachsendes Problem dar. Weil ist übrigens, um dem Verdacht vorzubeugen, hier mache ein CDU-Mann der CDU-Frau von der Leyen die Parteimauer, Sozialdemokrat.

Die da oben in Brüssel, die sich‘s richten, wie es ihnen passt: dieses Ressentiment schimmert durch das digital verbreitete Amüsement über Dolly und den Wolf durch. Das ist neun Monate vor der Europawahl keine erfreuliche Feststellung über den Grad der Kenntnis der EU bei den Bürgern, und ihr grundsätzliches Vertrauen in die Korrektheit ihrer Entscheidungsabläufe.

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