Frankfurter Buchmesse: Die 368er proben den Widerstand

Südkorea entdecken: Zwischen Bitter- und Heiterkeit.

Was ist das? Es ist nicht mehr ganz China und noch nicht ganz Ja pan. Wer "Korea" antwortet, hat sich als ignoranter Mitteleuropäer geoutet. Denn das Land hat zwar von beiden Großmächten etwas, ist aber doch ganz anders. Eine Chance, dem weißen Fleck auf dem Globus der meisten Europäer Farbe zu geben, bietet sich auf der Buchmesse in Frankfurt am Main. Dass die Südkoreaner (der kommunistische Norden hat im Frühjahr abgesagt) dies als Herausforderung betrachten, beweist schon das Budget: 15 Millionen Euro lassen sie sich ihren Auftritt kosten, mehr als jedes Gastland zuvor.

Das ganze Jahr über touren koreanische Autoren durch Deutschland, etwa 40 machen nun in Frankfurt Station. Auf den ersten Blick hat Südkorea ein paar historische Gemeinsamkeiten mit Deutschland: etwa das Auseinanderleben der Menschen in einem geteilten Land. Die Parallelen sind aber sehr beschränkt. Es macht eben einen Unterschied, wenn man schuldlos geteilt wurde wie Korea, dafür aber einen "Bruderkrieg" (1950-1953) mitmachen musste. Und seit 1989 ist sowieso alles anders.

"Han" und "Heung" heißen die beiden Pole, zwischen denen die koreanische Literatur angesiedelt ist, bittere Sorge und freudvolle Heiterkeit, so der 1933 zur Zeit der japanischen Besatzung geborene Autor Ko Un in seiner Frankfurter Eröffnungsrede. Als der Koreakrieg ausbrach, flüchtete er in ein Kloster in die Berge, doch als 1960 Studenten und Arbeiter gegen das Militärregime rebellierten, schrieb er lyrische Hymnen des politischen Widerstands. 1980 wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt, zwei Jahre später entlassen. Heute liegen über 10.000 Gedichte in 132 Bänden vor, auf Deutsch erschien zuletzt "Ein Tag voller Wind" im Bielefelder Pendragon Verlag. Er ist einer von drei deutschsprachigen Verlagen, die sich der koreanischen Literatur angenommen haben. Was kein leichtes Unterfangen ist, bei dem Mangel an Übersetzern. Die beiden anderen Verlage sind Peperkorn und vor allem der Deutsche Taschenbuch Verlag.

DTV hat den derzeit bekanntesten Dichter Koreas im Programm: Hwang Sok-yong, 1943 in der Mandschurei geboren. Bereits als Schüler engagierte er sich politisch, wurde 1964 wegen seines Protests gegen das Korea-Japan-Abkommen verhaftet, später als Soldat nach Vietnam geschickt. Seine Beschreibung der Rolle Südkoreas an der Seite der USA im Vietnamkrieg ("Der Schatten der Waffen") schockierte die Koreaner. In den Siebzigerjahren erforschte er die Arbeiterviertel von Seoul, aber auch buddhistische Klöster in den Bergen. 1992 besuchte er Nordkorea, durfte nicht mehr zurück, emigrierte in die USA und nach Deutschland. Nach einer Odyssee entschied er sich zur Rückkehr, wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt und saß fünf davon auch ab.

Mit dieser Biografie ist Hwang Sok-yong zwar ein extremer, aber doch ein Repräsentant für die koreanische Literatur. Denn die heute bestimmenden Literaten in Korea gehören zur "Generation 386", sie hat gewisse Ähnlichkeiten mit unseren 68ern: Rebellion gegen die Elterngeneration und deren politischen Stillstand. Die "368er" formierten sich im Mai 1980 als Widerstandsbewegung gegen die damalige Militärregierung. Lee Hochol, Hwang Chi-Woo, Hwang Tong-gyu gehören dazu. Heute sind viele von ihnen für die Wiedervereinigung aktiv.

Das Land selbst zeigt sich in Frankfurt als alte Kulturnation. Mit Stolz wird darauf verwiesen, dass es bereits Jahrzehnte vor Gutenberg Buchdruck in Korea gab. In einem aus vier Gebäuden bestehenden Lagerhaus wird der zum Unesco-Weltkulturerbe zählende "Janggyeonggak" aufbewahrt: 80.000 Holzdruckplatten aus dem 13. Jahrhundert, auf denen 52 Millionen Zeichen eingestanzt sind. Ein paar der Platten sind in Frankfurt zu sehen. Im Zentrum des Ausstellungsraums stehen Steinsäulen, auf denen die 100 wichtigsten Bücher für das Verständnis des Gastlands ausgestellt sind, in gedruckter und auch in digitalisierter Form, als "U-Books" (Ubiquitous Books). Das bedeutet, dass die Texte aus dem Mobilfunknetz heruntergeladen werden können.

Ultramodern und ultratraditionell, zwischen diesen Extremen changiert das Land. Zeichen dafür wird die futuristische Bücherstadt "Paju Book City" sein. Nordwestlich der Hauptstadt wurde auf einem 1,6-Millionen-Quadratmeter-Areal ein Firmenkomplex auf sumpfigem Boden gebaut, bestehend aus Verlagen, Druckereien, branchenverwandten Betrieben. Eine moderne Musterstadt des Buches. Für ein 48-Millionen-Volk, in dem jeder laut Statistik zehn Bücher pro Jahr kauft und elf liest.

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