Leipzig: Eine Stadt wie ein aufgeschlagenes Buch

Während der Buchmesse finden in Leipzig an über 200 Orten mehr als 2100 Veranstaltungen rund um Texte statt.

Nach Frankfurt fährt man wegen des Geschäfts, nach Leipzig zum Lesen. Wenn die Leipziger Buchmesse nun ihre Hallen aufschließt, ist sie nach Frankfurt zur zweitgrößten Buchmesse der Welt aufgestiegen. Kaum ein Publikumsverlag kann es sich heute leisten, in Leipzig nicht vertreten zu sein. Mehr als 2100 Aussteller aus 30 Ländern präsentieren auf zirka 50.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche ihre schönsten Seiten.
Zu verdanken ist das vor allem der Veranstaltungsreihe "Leipzig liest". Präsentationen, Lesungen, Diskussionen, insgesamt über 1500 Veranstaltungen werden es von 17. bis 20. März sein: Charles Aznavour stellt etwa seine Memoiren vor (Militzke Verlag), der israelische Autor Amos Oz liest aus seiner hochgelobten "Geschichte von Liebe und Finsternis" (Suhrkamp Verlag), der Historiker Götz Aly diskutiert über seine umstrittene Studie zu "Hitlers Volksstaat" (S. Fischer Verlag) et cetera. Die ganze Stadt präsentiert sich wie ein aufgeschlagenes Buch.

Schwerpunkte sind das Schiller-Forum aus Anlass des 200. Todestages des Dichters am 9. Mai dieses Jahres, die Literatur aus Osteuropa, Comics-Fans kommen bei zirka 300 Events auf ihre Rechnung, und eine neue Auflage der Hörbuchnächte soll das Publikum anlocken. Mit über 20 Prozent Wachstum im Vorjahr ist die Silberscheibe nämlich der Hoffnungsträger der Buchbranche.

Als wichtiger Schritt zur Hebung des Renommees hat sich die Reform des "Deutschen Bücherpreises" erwiesen. Der heißt jetzt "Preis der Leipziger Buchmesse", ist mit 45.000 Euro dotiert und wird von einer prominenten Jury aus Literaturkritikern in den Kategorien Belletristik, Sachbuch und Essayistik sowie Übersetzung am 17. März vergeben. Nominiert sind unter anderem Christoph Hein und Eva Menasse, Götz Aly und Rüdiger Safranski, Marcus Ingendaay und Maralde Meyer-Minnemann. Der mit 10.000 Euro ausgestattete Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, Pedant zu dem in Frankfurt verliehenen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, geht diesmal an die kroatische Autorin Slavenka Drakulic für ihr Buch "Keiner war dabei". Der Preis wird seit 1994 vergeben, ging unter anderem an Ryszard Kapuscinski, P©ter N¡das und Aleksandar Tisma.

Slavenka Drakulic wird am Donnerstag auch das "Caf© Europa" eröffnen. Ein weiterer Veranstaltungsort ist das Kaffeehaus am Österreich-Stand. Dort werden bei 19 Lesungen unter anderem Dimitr© Dinev, Leopold Federmair, Olga Flor, Eva Menasse und Clarissa Stadler aus ihren neuen Büchern lesen. Österreich ist heuer mit 31 eigenen Ständen auf der Messe vertreten, drei Verlage stellen sich an Sammelständen vor, 27 weitere zeigen ihre Neuerscheinungen am Österreich-Stand.

Die Leselust hat in Leipzig Tradition. Schon Ende des 15. Jahrhunderts trafen sich Buchhändler, Drucker und Verleger in der Sachsenstadt. Elf Druckereien zählte man hier bereits um 1500. Im 18. Jahrhundert etablierte sich Leipzig als "Hauptstadt des Buchhandels". In Hitlerdeutschland wurden Bücher verbrannt statt präsentiert. Erst 1946 begann man in Leipzig wieder mit einer Buchkunstausstellung. Zu DDR-Zeiten wurden die traditionell zwei Messen pro Jahr auf eine Frühjahrsmesse reduziert, an der bis zu 1000 Verlage beteiligt waren. Nach der Wende hat es eine Zeit lang gedauert, bis die Bücherschau über eine ostalgische Liebhaberei hinausgefunden hat. 1991 fand die erste internationale Buchmesse noch in den unterirdischen Hallen unter dem Hauptplatz statt. 1998 zog die Buchbranche in die neu gebauten Hallen am Stadtrand.

Dass zur selben Zeit wie die Leipziger Buchmesse die Kölner mit der lit.Cologne ein ähnliches Buchfest feiert, mag die Westfalen freuen, ob es dem Verlagsstandort Deutschland wirklich gut tut, sollte man sich in Berlin überlegen.

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