San Francisco: Wohnungskrieg statt Flower-Power

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Wegen des anhaltenden Tech-Booms steigen die Mieten in San Francisco rasant an. Mitverantwortlich ist auch das Mietgesetz, das jenem in Wien nicht unähnlich ist.

Haight-Ashbury war das Zentrum der Hippie-Bewegung im San Francisco der 1960er-Jahre: Wem die Künstlerbezirke der Stadt zu teuer waren, zog in das Viertel am östlichen Ausgang des Golden Gate Park. Janis Joplin lebte genauso in Haight-Ashbury wie Jefferson Airplane. Aber mit dem lockeren Treiben der Blumenkinder hat der Alltag im San Francisco der Gegenwart nichts zu tun. Wer heute hier leben will, braucht viel Geld.

Eine Ein-Schlafzimmer-Wohnung (plus Wohnzimmer) kostete im Mai durchschnittlich 2750 Dollar (2035 Euro) Miete im Monat. Trotzdem ist die ehemalige Hippie-Enklave im Vergleich zu den richtig schicken Wohngegenden der Stadt immer noch günstig. Die Realität sieht heute eher so aus, wie das Leben von Mike Aldax und seiner Familie. Für eine Ein-Schlafzimmer-Wohnung bezahlen sie 2100 Dollar Miete im Monat. Das entspricht ungefähr der Hälfte des gemeinsamen Einkommens. Trotzdem zählt sich Aldax zu den Glücklichen: „Es ist nicht billig, aber ein guter Deal im Vergleich dazu, was andere bezahlen“, sagt der 35-jährige Journalist.

In San Francisco tobt ein regelrechter Krieg um den Wohnraum. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über den Immobilienmarkt berichtet wird, der das Leben in San Francisco für viele Menschen zunehmend nicht mehr leistbar macht. In gehobeneren Lagen wie Marina im Norden, direkt an der Bucht, betrug die durchschnittliche Monatsmiete für eine Ein-Schlafzimmer-Wohnung im Mai 3250 Dollar (2400 Euro), wie das Immobilienportal Zumper berechnet hat. Aber selbst in Bayview, einem armen, hauptsächlich von Schwarzen bewohnten Bezirk, musste man für eine vergleichbare Wohnung zuletzt 2100 Dollar monatlich hinblättern. Und die Preise legen rasant zu. Einer Statistik des Onlineportals Priceonomics zufolge betrug die Medianmiete (also jene Miete, die genau in der Mitte aller verfügbaren Mieten liegt) für eine Ein-Schlafzimmer-Wohnung in San Francisco im Juni 2795 Dollar. Zwei Jahre davor waren es noch 2195 Dollar. Je nach Ranking wechseln sich New York und San Francisco als teuerste Städte der USA ab. Laut Apartmentlist hat San Francisco New York in puncto Mietkosten sogar schon überholt.


Die Techies treiben den Preis. Der Hauptgrund für den Preisanstieg ist der anhaltende IT-Boom in und um San Francisco, in Kombination mit einem knappen Wohnungsangebot. Die gut verdienenden Mitarbeiter von Google, Facebook, Twitter und Co. sowie der zahlreichen aufstrebenden Start-ups können es sich leisten, 3000 Dollar und mehr für Miete zu bezahlen. Die Einstiegsgehälter für Programmierer in der Branche liegen bei 80.000 bis 100.000 Dollar im Jahr. Viele der jungen, gut verdienenden Kreativen leben lieber in San Francisco als in den Kleinstädten des Silicon Valley. Einige große Internetfirmen sind in den letzten Jahren vom Valley nach San Francisco übersiedelt. Die Start-up-Szene in der Stadt boomt, und mit ihr auch die Wohnkosten. Besonders Soma ist bei den Techies beliebt, und so zählt das Viertel zu den teuersten der Stadt. Bei Wohnungsbesichtigungen kommt es vor, dass Interessenten ad hoc ein paar hundert Dollar auf die Miete drauflegen, um sofort den Zuschlag zu bekommen.

David Klampert ist seit zehn Jahren Immobilienmakler in San Francisco. Er wartet in einer loftartigen Wohnung im Erdgeschoss eines luxuriösen Apartmenthauses in Soma auf Interessenten. Jedes Wochenende finden in San Francisco zahlreiche Open Houses statt, bei denen Interessenten den Maklern die Tür einrennen. Nicht so an diesem Samstag. Seit 25 Minuten ist Klampert hier, erst vier potenzielle Mieter waren da. „Ich habe auf mehr gehofft“, sagt er. Die Wohnung ist durchaus stilvoll, aber nicht neu. Ein Zimmer mit Galerie, hoher Decke, großen Fenstern.

In der Nachbarschaft wohnen Twitter, Airbnb und Dropbox. Das vergleichsweise niedrige Interesse dürfte auch am Preis liegen – für die Einzimmerwohnung will Klampert 3000 Dollar monatlich. Einen Versuch ist es wert. Meldet sich niemand, schraubt er die Miete eben hinunter. „Wenn ich die Wohnung um 2850 Dollar im Monat ausschreiben würde, würden sich hier die Massen drängen.“ Wie viele Makler und Eigentümer pokert er hoch, um das Maximum herauszuholen, das der Markt hergibt. „Es gibt viel Geld in dieser Gegend“, sagt Klampert, für den die Zeiten kaum besser sein könnten. „Der Markt ist teuer für die Mieter, aber für die Eigentümer ist er sehr gut.“


Das Mietgesetz ist schuld. Sobald ein Mieter auszieht, schlagen Vermieter schnell zweistellige Prozentsätze auf. Wer eine Wohnung renoviert oder vergrößert, kann die Miete von einem Mieter zum nächsten auch um 30 bis 40 Prozent erhöhen.

Mitverantwortlich dafür ist auch das Mietgesetz. Und das ist jenem in Wien nicht unähnlich. Wer einmal einen Vertrag hat, dessen Miete ist mehr oder weniger festgeschrieben, für die gesamte Zeit, in der er die Immobilie bewohnt. Der Vermieter darf sie nur minimal erhöhen und hat kaum Möglichkeiten, den Mieter jemals wieder loszuwerden. Altbauwohnungen, die lange von den gleichen Mietern bewohnt werden, sind für Vermieter – mit allen notwendigen Renovierungsarbeiten – oft ein Verlustgeschäft.

„Rent control“ gilt für Wohnungen, die vor 1979 errichtet wurden. Das sind rund 70 Prozent des Bestands. Und San Francisco ist, wie Wien, eine Stadt der Mieter: Mehr als die Hälfte der Menschen leben in einer Mietwohnung. Wer eine kontrollierte Wohnung bewohnt, hat den Jackpot – und wenig Anreiz, jemals wieder auszuziehen. Entsprechend niedrig ist das Angebot auf dem Wohnungsmarkt. Das treibt die Preise. Allein von 2011 auf 2012 stieg die durchschnittliche Monatsmiete in San Francisco um 415 Dollar. Wegen des knappen Angebots können sich die Vermieter sehr genau aussuchen, wer einzieht.

Nicht selten müssen Mieter nachweisen, dass ihr Einkommen mindestens dreimal so hoch ist wie die Monatsmiete. Was das bedeutet, erlebt David Stelle gerade hautnah. Er ist seit einiger Zeit auf Wohnungssuche in San Francisco. „Ich stecke mitten im Wohnungskrieg, von dem man derzeit oft hört“, sagt er. Stelle arbeitet in einer Bank als Softwareentwickler und ist Hobbykünstler. Er hat gerade das Loft in Soma besichtigt, das David Klampert für 3000 Dollar vermieten will. „Das ist am obersten Ende dessen, was ich mir leisten kann“, sagt Stelle. Trotzdem überlegt er, sich zu bewerben.

Stelle verdient 6000 Dollar im Monat, damit würde die Hälfte seines Einkommens für die Miete draufgehen. Weit entfernt von den 9000 Dollar, die er verdienen müsste, um sich für die Wohnung zu qualifizieren. „Er wird die Wohnung nicht bekommen“, sagt der Makler Klampert, nachdem Stelle gegangen ist.

Teures Wohnen

Mehr Nachfrage als Angebot
Der Boom der Internetunternehmen in und um San Francisco treibt die Preise auf dem Immobilienmarkt. Wer eine Wohnung will, muss häufig nachweisen, dass sein Einkommen mindestens dreimal so hoch ist wie die Monatsmiete.

Die Mietpreise explodieren
Die Medianmiete (also jene Miete, die genau in der Mitte aller verfügbaren Mieten liegt) in San Francisco lag im Juni bei 2795 Dollar für eine Ein-Schlafzimmer-Wohnung. Zwei Jahre zuvor waren es noch 2195 Dollar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2013)

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