Wie Monika Lindner unser System bloßstellte

Wie Monika Lindner unser System bloßstellte
Wie Monika Lindner unser System bloßstelltePeter Kufner www.peterkufner.com
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Gastkommentar. Die Ex-ORF-Chefin kandidierte für eine Partei „neuer Werte“, ist aber nur Symptom für die Verlotterung des „alten“ Systems.

Monika Lindner hat sich durch ihr Verhalten selbst beschädigt, und sie hat ihre beiden Mentoren Erwin Pröll und Christian Konrad desavouiert. Sie hat den ORF, dessen Alleingeschäftsführerin sie einmal war, in Verruf gebracht – und, am schlimmsten: Sie hat unser gesamtes politisches System bloßgestellt.

Lindner ist auf einer Liste zur Wahl angetreten, die das System verändern wollte, und ist jetzt kurioserweise ein Symptom für die Verlotterung des alten Systems. Das wird die Politikverdrossenheit der Massen und die Empörung gegen die da oben, die es sich immer richten, noch einmal steigern.

Man muss mit den beiden Machtmenschen Pröll und Konrad kein Mitleid haben, ja man kann darüber sogar klammheimlich Freude empfinden, wenn so ausgeprägte Egomanen einmal eine Niederlage erleiden. Der ehemalige Raiffeisen-Boss Konrad kann jetzt in der Pension darüber nachdenken, ob unter seinen Jagdfreunden außer Lindner nicht auch noch andere Menschen ohne Charakter anzutreffen sind. Da gibt es ja einige, die ihre Jagdleidenschaft – so wie Lindner – nur entdeckt haben, um in die Nähe des mächtigen Medienmanns zu kommen.

Prölls zahlreiche Fehlgriffe

Etwas schlimmer ist die Situation für Niederösterreichs Landeshauptmann Pröll. Lindner wurde ja mit seiner Unterstützung Landesdirektorin im ORF-Landesstudio und anschließend ORF-Generaldirektorin. In beiden Funktionen hat sie sich nicht mit Ruhm bedeckt, um es einmal zurückhaltend auszudrücken.

Im Zusammenhang mit Lindners Karriere geraten jetzt auch andere Personalentscheidungen des niederösterreichischen Landeshauptmanns in den Fokus. Pröll hat schon oft danebengegriffen. Da wäre zunächst Ernst Strasser – er wird wohl demnächst seine Haftstrafe antreten. Landesrat Gabmann beim Flughafen Wien war ebenfalls keine Erfolgsgeschichte.

Auch Johanna Mikl-Leitner ist eine Erfindung Prölls. Sie konkurriert mit Maria Fekter nach dem Motto: Wer gibt ärgere Plattheiten von sich. Schließlich kommt auch ÖVP-Obmann Michael Spindelegger aus dem Stall von Pröll – ein farbloser Mann, der nie Bundeskanzler werden wird, obwohl er mit Werner Faymann einen Konkurrenten hat, dessen Beliebtheitswerte als Kanzler die niedrigsten sind, seit diese erhoben werden.

Das Unbehagen über Prölls Dominanz in der ÖVP ist zuletzt freilich schon innerhalb der ÖVP gewachsen. Anders ist die Allianz der drei westlichen Landeshauptleute nicht zu interpretieren. Man kann gespannt sein, ob sie sich in Personalfragen durchsetzen oder ob Pröll wieder eine seiner provinziellen Dumpfbacken in die Regierung schickt – oder in den ORF.

Lindner war in ihren Anfängen im ORF eine durchaus erfolgreiche Programmmacherin: zunächst Chefin der Service-Sendung „Wir“, dann bei der Entwicklung der Sendung „Willkommen Österreich“ erfolgreich.

In ihrer gesamten Tätigkeit im ORF hatte sie aber nie mit politischer Berichterstattung zu tun. Sie konnte daher nie das Gefühl für Distanz zu Politikern entwickeln, das jeder politische Journalist haben muss. Das merkte man, als sie Landesdirektorin des ORF Niederösterreich wurde. Sie reihte sich willig in den erweiterten Hofstaat von Erwin Pröll ein, saß bei vielen Veranstaltungen neben dem Landeshauptmann in der ersten Reihe und applaudierte bei einem Landesparteitag begeistert der Rede „ihres Chefs“, wie sie ihn wohl empfunden haben muss.

Als ein ehemaliger Landesdirektor des ORF weiß ich, wie schwierig es in den Bundesländern ist, Distanz zu Landespolitikern zu halten. Schließlich steht im ORF-Gesetz noch immer die unselige Bestimmung, dass der Landeshauptmann ein Anhörungsrecht bei der Bestellung des Landesdirektors hat. De facto ist dieses Anhörungsrecht bei schwachen Generaldirektoren fast immer ein Mitwirkungsrecht.

Der Gipfel der Inkompetenz

Mir ist aber kein Fall bekannt, dass sich ein ORF-Landesdirektor derart an den Landeshauptmann herangeschmissen hätte wie Monika Lindner. Die Belohnung folgte: Sie wurde ORF-Generaldirektorin als Nachfolgerin von Gerhard Weis, der gern noch geblieben wäre, den die ÖVP aber nicht mehr wollte. Lindner ließ sich allzu willig in Stellung bringen gegen ihren früheren Chef Gerhard Weis, der sie jahrelang gefördert hatte. Dankbarkeit oder Loyalität ist für Lindner offensichtlich keine Kategorie.

Als ORF-Generalin erreichte Lindner endgültig den Gipfel der Inkompetenz. Man findet im ORF kaum jemanden, der Positives über ihre Tätigkeit sagen will. Über ihre Misserfolge im Ausgedinge bei Raiffeisen wird vielleicht einmal Christian Konrad in seinen Memoiren berichten können – wenn er denn welche schreibt. In Leserbriefen und Postings im Internet wird oft die Frage aufgeworfen, wie eine Person mit derartigen Charakterdefiziten wie Frau Lindner an die Spitze des ORF, des größten Medienunternehmens des Landes, kommen konnte. Und es folgt die bange Frage: Tummeln sich im Führungspersonal des ORF vielleicht noch mehr solche Typen?

Imageschaden für den ORF

Für alle amtierenden Direktoren sei hier der Ordnung halber einmal die Unschuldsvermutung geäußert. Es steht aber außer Frage, dass Lindner dem Image des ORF mehr geschadet hat als irgendein ORF-General vor ihr.
Nun wird also die 69-jährige Lindner – neben ihrer ORF-Pension – fünf Jahre lang ihre Gage als Abgeordnete kassieren, ohne dass sie als wilde Abgeordnete, auf sich allein gestellt, irgendetwas bewirken kann. Das Alter soll hier nicht kritisiert werden. Es gibt in vielen Parlamenten Europas Abgeordnete, die mehr als 70 Jahre alt sind – nach langjähriger parlamentarischer Tätigkeit. Dass jemand aber als 69-jährige Quereinsteigerin in einem Parlament die ersten politischen Gehversuche macht, ist ein absolutes Novum.

Der Schaden, den Lindner unserem politischen System zugefügt hat, ist noch gar nicht abzuschätzen. Viele Menschen schließen ja vom Besonderen auf das Allgemeine und unterstellen allen Politikern, nur des Geldes wegen in die Politik zu gehen. Das ist ungerecht: Alle nicht, aber viele schon! Monika Lindner ist nur ein besonders dreistes Exemplar.

So unbedeutend Monika Lindner als Person ist, so sollte ihr Fall doch Anlass zum Nachdenken sein. Seit Jahren hat es keinen so einhelligen Shitstorm im Internet gegeben wie in diesem Fall.

Noch mehr Wutbürger

Man muss annehmen, dass die Zahl der Wutbürger wieder größer geworden ist. Für sie ist Lindner Teil des Systems, in dem Privilegierte von einem Job zum anderen hinübergleiten, während bei vielen Menschen die Angst umgeht, dass sie ihren Wohlstand nicht halten können. Diese Situation schafft ein gutes Terrain für populistische Parteien.

Was wäre zu tun? Die Vorschläge für eine umfassende Reform aller wichtigen Institutionen des Staates liegen auf dem Tisch. Noch wichtiger: Neue Politiker braucht das Land. Hoffen wird man doch noch dürfen . . .

Zur Person

Ulrich Brunner (geboren am 12. 7. 1938 in Wien), war Schriftsetzer, Korrektor und von 1970 bis 1975 innenpolitischer Redakteur der „Arbeiter-Zeitung“. Seit 1975 als Redakteur im Aktuellen Dienst des ORF, zunächst in der „Zeit im Bild“ als Reporter, später Ressortleiter Innenpolitik, Chefredakteur im Hörfunk und Intendant des ORF-Landesstudios Burgenland.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse" Printausgabe vom 19.10.2013)

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