USA: Der lange Arm des Ex-Finanzministers Rubin

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Bill Clintons Finanzminister Robert Rubin hat den US-Finanzmarkt dereguliert und so den Keim der Krise gepflanzt. Seine Protegés dominieren heute Barack Obamas Team.

Dann machte es platsch, und alle glotzten. Bob Rubin ist in den Pool gefallen! Rubin, den Bill Clinton „Amerikas besten Finanzminister seit Alexander Hamilton“ genannt hatte, als er 1999 Clintons Regierung verließ, um als Chairman der Citigroup anzuheuern. Rubin, der dann binnen zehn Jahren eine Gage von 126 Millionen Dollar (95Millionen Euro) einstreifte und rechtzeitig abtrat, ehe die Citigroup fast dasselbe Schicksal erlitt wie Lehman Brothers.

Rubin, der das Weiße Haus und die Politik zwar offiziell verlassen hatte, die Regierungsmannschaft von Barack Obama aber ebenso mit ehemaligen Protegés spickte, wie er Funktionären üppig honorierte Jobs bei Citi verschaffte: Geithner, Summers, Lew, Wolin, Froman hinein. Orszag, Lew und manch ein anderer wieder hinaus. Lew wieder hinein.


Goldman. Die Drehtür zwischen Weißem Haus und Wall Street bewegt sich mühelos. Dass ihre Angel gut geölt bleibt, dafür sorgt Bob Rubin, der da unfreiwillig ins Schwimmbecken des Ritz-Carlton Hotels in Charlotte gestolpert war, mitten während des Parteitags der Demokraten im September 2012, zwei Monate vor der Wiederwahl Obamas zum amerikanischen Präsidenten. Er habe seinen Fehltritt mit Humor genommen, sollte es später in den Nachrichten heißen. Nach einem Vierteljahrhundert bei Goldman Sachs, zuletzt als Vizevorsitzender, nahm Rubin 1993 Clintons Angebot an, sein Berater für Wirtschaftspolitik zu werden. Rubin hämmerte Clinton sein ordnungspolitisches Mantra ein: Banken deregulieren, Defizite senken, den Erfindungsreichtum der Finanzmärkte nutzen.

Nach zwei Jahren machte Clinton Rubin zum Finanzminister. Sein Nachfolger als Chefwirtschaftsberater wurde Larry Summers: so wie Rubin blitzgescheit, äußerst selbstbewusst und davon überzeugt, dass sich die Finanzmärkte am besten selbst regulieren. Als Rubin zu Citigroup wechselte, sorgte er dafür, dass ihm Summers als Finanzminister folgte. In seiner kurzen Amtszeit bis Ende 2000 sorgte Summers dafür, dass der Financial Services Modernization Act of 1999 durch den Kongress flutschte. Dieses Gesetz zerschnitt so gut wie alle Fesseln, die Amerikas Banken daran hinderten, bei der Börsen-Bonanza der Hedgefonds, Pensionsfonds und sonstiger Finanzakteure mit eigenem und fremdem Geld mitzumachen.


Deregulierung.
Der 66 Jahre alte Glass-Stegall Act, der gewöhnlichen Banken die Beteiligung an Nichtbanken erschwerte und somit das Spiel am Börsenroulette verbot, war außer Kraft. Summers und Rubin hatten mit einem Handstreich „das vielleicht desaströseste Stück deregulierender Gesetzgebung seit der Großen Depression“ ermöglicht, schreibt der Pulitzer-Preisträger und frühere „Wall Street Journal“-Redakteur Ron Suskind in seinem Buch „Confidence Men: Wall Street, Washington and the Education of a President.“

Mit dem neuen Präsidenten checkte Anfang 2009 ein ganzer Schwung von Rubin-Schützlingen an der Adresse 1600 Pennsylvania Avenue ein. Timothy Geithner wurde Obamas Finanzminister. Der vorherige Präsident der New Yorker Federal Reserve hatte seine ersten Sporen unter Rubin im Finanzministerium verdient. „Ich bin unter Bob Rubin aufgewachsen“, scherzte Geithner gegenüber seinen Mitarbeitern oft. Auch Geithners Stellvertreter Neal Wolin hatte in den 1990er-Jahren unter Rubin in der Treasury gedient; Ende August dieses Jahres hat er die Regierung verlassen. Jack Lew, Geithners Nachfolger als US-Finanzminister, hat so wie die anderen Herren nicht nur Erfahrung im Weißen Haus von Bill Clinton und als Kabinettschef von Obama, sondern – dank fürsorglicher Hilfe seines Mentors Bob Rubin – auch als Manager in der Citigroup.


Goldes werte Kontakte.
Jahrzehntelang hatte Bob Rubin sein Netz von Kontakten gewoben. Anfang März 2009 sollte es sich als Goldes wert erweisen. Denn die Citigroup hatte sich unter Rubins Führung mit spekulativen Investitionen auf dem Immobilienmarkt mächtig übernommen. Ihr Aktienkurs war am 5. März nach einer zweijährigen Talfahrt von 40 Dollar auf weniger als einen Dollar gesunken. Sheila Bair, damals Chefin der staatlichen Einlagensicherung FDIC, plädierte vehement dafür, Citigroup unter staatlicher Aufsicht zu restrukturieren. Das wäre den anderen Banken eine heilsame Warnung, ihre Bilanzen zu reparieren und sich auf den Kern ihres traditionellen Geschäfts zu besinnen. „Citigroup hätte an den Pranger gestellt werden müssen“, so Bair in ihrem Buch „Bull by the Horns”.

Doch Geithner stemmte sich dagegen. Am 9. März 2009, um 9.35 Uhr, erhielt er einen Anruf von Vikram Pandit, dem Vorstandschef der Citigroup. Zehn Minuten später telefonierte Geithner mit Bair. Zwischen 15 Uhr und 15.45 Uhr kam es zum Showdown, wie Suskind anhand von Geithners Kalender nachzeichnet. In einer Telefonkonferenz mit Bair, Federal-Reserve-Präsident Ben Bernanke und anderen Regierungsfunktionären stoppte er Bairs Vorstoß, den Citigroup-Vorstand zu feuern, die Bank zu verstaatlichen und ihre faulen Kredite in einer Bad Bank abzuwickeln. Keine zehn Minuten danach klingelte es schon wieder bei Geithner. Am anderen Ende der Leitung: Vikram Pandit. Sein Job war gerettet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2013)

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