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„Liebes Kind“: Was hat es mit diesem Mädchen auf sich?

Kim Riedle und die beiden KInderdarsteller Naila Schuberth und Sammy Schrein.
Kim Riedle und die beiden KInderdarsteller Naila Schuberth und Sammy Schrein.Netflix
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Die abgründige Verfilmung des Thrillers von Romy Hausmann führt von einem Kellerverlies in eine andere Art von Gefangenschaft. Eine sehr dunkle deutsche Netflix-Serie, erneut.

Eine Frau, die panisch durch den dunklen Wald hetzt, barfuß, im Nachthemd. Auf der Flucht vor etwas, das nicht zu erkennen ist. Szenen wie diese kennt man aus diversen (besonders auch: deutschen) Thrillern, und sie enden selten gut. In der Miniserie „Liebes Kind“, die am Donnerstag auf Netflix startete, steht die Flucht am Beginn der Geschichte. Zwar wird die Frau, Lena, noch von einem Auto angefahren, doch es folgt die Rettung. Und begleitet von ihrer Tochter, einem seltsam ruhigen Mädchen, wird Lena ins Krankenhaus gebracht. Doch ist diese Rettung tatsächlich eine Befreiung?

Zweifel kommen schon auf, als man die dunklen, kalten Krankenhausräume sieht. Gequält liegt die schwer verletzte Frau (intensiv: Kim Riedle) in dieser unwirtlichen Umgebung – sie wird lange nicht sagen, woher sie kommt, wie ihr voller Name lautet. Da ist eine Männerstimme in ihrem Kopf. „Lena, mach die Augen auf“ oder „Sag’ ihm, wie du heißt“, unmittelbare Befehle. Menschen kommen und gehen, die Frau nimmt sie kaum wahr. Einem Ermittler folgt ein Paar, das nach seiner seit 13 Jahren verschollenen Tochter sucht.

Rückblicke zeigen eine Gefangenschaft, wie man sie in Österreich sofort mit dem Fall Fritzl assoziiert. Räume ohne Fenster, in denen Kinder groß gezogen werden. Hier gelten strikte Regeln. Viermal pro Tag zu fixen Zeiten auf die Toilette. Wenn „Papa“ den Raum betritt, müssen alle die Hände ausstrecken. Um zu zeigen, dass die Nägel sauber sind und niemand eine Waffe in der Hand hält. Bis dann doch jemand eine hat.

„Er ist immer bei dir“

Innerhalb der ersten beiden Folgen des Psychothrillers stehen mehr Fragen im Raum, als noch Episoden vor dem Ende zu erwarten sind. Warum ist da keine Erleichterung nach der Flucht? Weshalb flüstert Hannah ihrer Mutter „Er ist immer bei dir“ zu? Wie kann sie den Mann, der seine Tochter Lea seit 13 Jahren vermisst, als „Großvater“ erkennen? Und vor allem: Was hat es mit diesem Kind auf sich? Das Mädchen Hannah ist jedenfalls der Dreh- und Angelpunkt der Serie, die auf Romy Hausmanns gleichnamigem Bestseller basiert. Er wurde in 24 Sprachen übersetzt, über die Verfilmung wurde bereits Monate, bevor das Buch veröffentlicht wurde, verhandelt. Man versteht, warum: Die Handlung funktioniert, es ist eine gut geölte Maschinerie, die verlässlich Gänsehaut aufziehen lässt.

Nicht zuletzt aber auch wegen des gar nicht so heimlichen Stars der Serie: Naila Schuberth glänzt in der Rolle der zwölfjährigen Hannah nicht nur, wenn sie eine goldene Rettungsdecke um die Schultern gewickelt hat. Dieses Mädchen irritiert, nie weiß man, was sie will, was sie fühlt oder vorhat. Die übergroße Sonnenbrille, die sie lange trägt (schließlich schmerzt das helle Tageslicht in ihren Augen) ist das perfekte Accessoire. Die sechsteilige Thrillerserie reiht sich ein in eine deutsche Tradition dunkler Netflix-Serien, von „Dark“ bis „1899“. „In Liebes Kind“ spritzt kaum Blut, hier herrscht Düsterkeit und Enge, und zwar innen wie außen. Viele eindrückliche Bilder hat das Regieduo Isabel Kleefeld und Julian Pörksen in der Serie geschaffen; Krankenhausräume, Gänge, Parkplätze, auch Kinderzimmer – nicht nur den wohl bekannten, dunklen deutschen Wald. Gelegentlich gebrochen, auch das soll nicht verschwiegen werden, durch Erinnerungen an Licht und Meer, an Freude.

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