Oper

„Sonnambula“ in der Staatsoper: Eine Nachtwandlerin auf dem Zauberberg

Brenda Rae als Amina und Javier Camarena als Elvino.
Brenda Rae als Amina und Javier Camarena als Elvino.Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
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Bellinis Oper, neu besetzt: mit der Einspringerin Brenda Rae und Javier Camarena.

Publikumsbeteiligung muss ja nicht immer gleich diskursiv sein, manchmal liefert sie auch bloß Geräuschkulissen: In der Wiederaufnahme der „Zauberberg“-Inszenierung zum Beispiel, die Marco Arturo Marelli 2001 Bellinis „Sonnambula“ hat angedeihen lassen, kam aus dem Auditorium ein Hust-Soundtrack, der dem exklusiven Lungensanatorium auf der Bühne Ehre machte. Während jedoch beim Inspirationsspender Thomas Mann sich Liebschaften immerhin nur unter den Kranken entspinnen, will in Marellis Deutung der junge Komponist Elvino die allgemein beliebte, aber natürlich sittsame „Saaltochter“ Amina heiraten, ein Mitglied des Personals, was vor allem Hotelmanagerin Lisa ein Dorn im Auge ist. Man hat sich daran gewöhnt, dass im Einheitsbühnenbild die Lobby für das Zimmer des Grafen Rodolfo herzuhalten hat, in das sich die schlafwandelnde Elvira verirrt und daraufhin in den Augen der Gesellschaft für kurze Zeit ihrer Ehre verlustig geht …

Pretty Yende musste absagen

Ganz ohne Krankheiten ging es auch in der Besetzung nicht ab: Statt Pretty Yende, die am Samstag auftreten will, gab am ersten Abend Brenda Rae die Sonnambula. Es ist bei dieser Sängerin nicht in erster Linie ein betörendes, bruchlos durch die Register geführtes Timbre, das ihr die Herzen zufliegen ließe: Viel eher nötigt sie dem Publikum durch Beweglichkeit und Höhensicherheit Respekt ab – Pianokultur und langen Atem nicht zu vergessen. Das animiert Giacomo Sagripanti am Pult zu manch genießerisch breiten Tempi, die Chor und Orchester mit achtbarer, luftig-duftiger Grazie aufnehmen, doch fesselt das Ganze nicht durchwegs. Beim verdienten Javier Camarena ist es beinah umgekehrt: Der erfreut durch seinen klangvollen Tenor und überzeugt bei Elvinos leidenschaftlichen Eifersuchtsausbrüchen mehr als in den Liebesbezeugungen. Doch mag er sogar jenseits der Baumgrenze noch reüssieren, gerät die Tongebung auf Gletscherhöhen fallweise ins Bröckeln. Maria Nazarova hat die Lisa schon mit weniger bloßer Kraftanstrengung gesungen. Dazu der gediegene Roberto Tagliavini, die tadellose Szilvia Vörös (Rodolfo und Teresa): Die Quecksilbersäulen sind in der Oper allgemein schon höher gestiegen. Dennoch Jubel.

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