Vatikan will die Meinung seiner Schäfchen hören

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Vor der für 2014/2015 einberufenen Bischofssynode über Ehe, Familie, Sexualität und Moral verschickt der Vatikan einen Fragebogen an die Gläubigen in aller Welt. Das hat es in dieser Form noch nie gegeben.

Rom. Wenn Papst Franziskus die Führungsaufgabe der katholischen Bischöfe umreißt, pflegt er nicht nur zu sagen, die Hirten müssten „nach ihren Schafen riechen“. Mitte September, beim Einführungsseminar für frisch geweihte Bischöfe, ging Franziskus noch einen Schritt weiter. Er schärfte den Jung-Würdenträgern ein, sie sollten zwar durchaus vor den Gläubigen hermarschieren, „um ihnen den Weg zu weisen“. Sie müssten „aber auch hinter der Herde einhergehen, um dem Spürsinn zu folgen, den das Volk Gottes beim Auffinden neuer Wege hat“.

Gesagt, getan. Die Hirten im Vatikan haben Franziskus‘ neuen Ansatz unverzüglich verwirklicht. Zur Vorbereitung der für Herbst 2014 angekündigten Synode über Ehe und Familie wollen sie nicht nur – wie üblich – hören, was die Bischöfe in aller Welt zum Thema denken. Den entsprechenden Fragebogen sollten diese erstmals auch „so weit wie möglich an Dekanate und Pfarreien“ verteilen, schreibt der neue Sekretär der Bischofssynode, Lorenzo Baldisseri. Mit anderen Worten: Diesmal sollen Kirchengemeinden und einfache Gläubige mitreden.

Möglichst schnell, bis Ende Jänner, soll die Umfrage vonstattengehen. Aber wie? In der Deutschen Bischofskonferenz will sich deren Ständiger Rat Ende November mit der Prozedur befassen. Die Bischofskonferenz von England und Wales war da schneller: Sie hat den Fragebogen zur allgemeinen Online-Abstimmung ins Internet gestellt. Im Rahmen ihrer am Montag begonnenen Herbstsitzung berät auch die österreichische Bischofskonferenz, wie den Wünschen des Vatikans entsprochen werden könnte. Eine Online-Befragung dürfte es aber eher nicht werden.

Die Fragen haben es in sich: Erstmals will der Vatikan tatsächlich wissen, wie beispielsweise die katholische „Morallehre zur Geburtenregelung“ mit ihrem kategorischen Verbot von Pille und Kondom akzeptiert wird und was „die problematischsten Aspekte sind, die die Akzeptanz bei der großen Mehrheit der Ehepaare erschweren“. Und: Welche kulturellen Faktoren behindern die volle Annahme der Lehre der Kirche über die Familie?“

Was tun mit Homosexuellen?

Zählte für den Chef der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, vor wenigen Tagen in beinahe dogmatischer Weise ausschließlich die klassische Lehre, nach der wiederverheiratete Geschiedene von den kirchlichen Sakramenten ausgeschlossen bleiben, so fragen die Organisatoren der Bischofssynode ganz praktisch nach, inwieweit diese Personen „eine wichtige pastorale Realität“ darstellen: „Welchen Prozentsatz machen sie schätzungsweise aus? Wie leben die Getauften ihre irreguläre Situation? Zeigen sie sich gleichgültig? Fühlen sie sich ausgegrenzt? Wie viele fragen nach den Sakramenten?“ Und: Welche Lösungsmöglichkeiten wären denkbar?

Zur Bestandsaufnahme gehört auch die Frage gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften und die Haltung der Ortskirchen gegenüber den jeweiligen staatlichen Regelungen und „den betroffenen Personen“. „Wie soll man sich auf pastoraler Ebene mit Blick auf die Glaubensweitergabe in jenen Fällen verhalten, in denen gleichgeschlechtliche Partner Kinder adoptiert haben?“

Die Synode selbst soll erstmals in zwei Stufen stattfinden: 2014 die Bestandsaufnahme, 2015 dann die Verabschiedung „konkreter Leitlinien für die Seelsorge“. Reformen, falls es sie denn gibt, werden also noch Zeit brauchen. Aber so breit und gründlich wurde bisher noch keine Diskussion im Vatikan vorbereitet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2013)

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