Die Schlacht um Twitter ist eröffnet

(c) EPA (JUSTIN LANE)
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Die Twitter-Aktie schoss beim Börsendebüt zum Handelsstart um fast 100 Prozent nach oben. Zum Handelsschluss blieb ein Plus von gut 70 Prozent. Beachtlich für ein Unternehmen, das statt Gewinn Verluste ausweist.

New York. Ohne Hashtag ging gestern an der New Yorker Wall Street gar nichts. Sogar zum Läuten der Glocke zu Handelsstart entrollte Evan Williams, Mitgründer des Börsenneulings Twitter, ein Plakat mit der Aufschrift „#Ring!“. Damit war, pünktlich um 9 Uhr 30 Ortszeit, die Schlacht der Kleinanleger um Twitter eröffnet. Und allen Warnungen vor einer erneuten Dotcom-Blase zum Trotz stürzten sich die Anleger auf die Aktien des erst sieben Jahre jungen Unternehmens, das noch nie in die Nähe eines Gewinns gekommen ist.
Vom Startpreis von 26 Dollar je Aktie wurde der Kurs binnen weniger Minuten auf 50 Dollar nach oben katapultiert. Damit war der Kurznachrichtendienst zumindest kurzzeitig mit mehr als 30 Milliarden US-Dollar bewertet. Zu Börsenschluss stand die Aktie bei 44,97 Dollar.

Aufsicht warnt vor Tech-Aktien

Wer sich gestern jedoch mit Aktien des Kurznachrichtendienstes eingedeckt hat, wagte eine riskante Wette auf die Zukunft dieses Unternehmens. Denn schon um den Ausgabepreis zu rechtfertigen, müsste das Unternehmen in wenigen Jahren gewaltige Sprünge hinein in die Profitzone vollführen – was so bald niemand erwartet.

Nicht umsonst warnte selbst die US-Börsenaufsicht SEC die Anleger noch am Vorabend des Börsengangs davor, die hohen Mitgliedszahlen von jungen Tech-Unternehmen überzubewerten. Dass 232 Millionen Menschen Twitter zumindest einmal im Monat nutzen, mag fein sein. Geld verdient das Unternehmen mit ihnen bis dato aber nicht.

Umso mehr allerdings mit dem Börsengang. Die ursprünglich geplanten 70 Millionen Aktien wurden noch einmal aufgestockt, sodass Twitter über zwei Milliarden Dollar an frischem Kapital eingenommen hat. Das ist mehr als etwa Google bei seinem Börsendebüt im Jahr 2004 einstreifen konnte. Von Twitters digitalen Branchenkollegen hat nur Facebook mit 16 Milliarden Dollar im Vorjahr deutlich mehr kassiert.

Den Zeitpunkt für das Debüt an den Aktienmärkten hätte Twitter nicht besser wählen können. Kapital ist dank der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken mehr als genug vorhanden. Und auch die Social-Media-Aktien sind derzeit auf Höhenflug. Nach einer Analyse von Twitbulls sind etwa die Facebook-Aktien (trotz der Schlappe nach dem überteuerten Börsendebüt) heuer um 84 Prozent nach oben gegangen. Auch der Kurs des Karrierenetzwerks LinkedIn stieg 2013 um 95 Prozent.

Heuer 134 Mio. Dollar Verlust

Anders als Facebook und LinkedIn, die zum Zeitpunkt ihrer Börsengänge schon schwarze Zahlen geschrieben haben, ist Twitter davon aber noch weit entfernt. Der Umsatz steigt zwar rasant, noch schneller weitet sich allerdings der Verlust aus. In den ersten neun Monaten des Jahres verbrannte das Unternehmen 134 Millionen Dollar, weil es enorme Summen in den Ausbau einer stabilen Infrastruktur stecken muss.

Nur Amerikaner bringen Geld

Das wird nicht lange so bleiben, sind zumindest jene Anleger, die gestern zugegriffen haben, offenbar überzeugt. Analysten sehen bis 2018 einen sechs- bis siebenfachen Umsatzsprung auf mindestens vier Milliarden Dollar im Jahr. Wie die Firma daraus allerdings Profit machen soll, ist unklar.

Denn letztlich sind Social-Media-Firmen in ihrem Entwicklungsstand immer noch eine Art finanzielle Blackbox. Sie sammeln zwar Unmengen an Nutzerdaten und Kommunikationsströmen. Das ideale Modell, um aus Daten Geld zu machen, ist allerdings noch nicht gefunden. Unter dem bereits dritten Chef Dick Costolo hat Twitter zwar erstmals Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt, auch 140 Zeichen lange Werbebotschaften an die Twittergemeinde zu schicken. Wirklich aufgegangen ist diese Strategie aber bestenfalls in Nordamerika. Hier macht Twitter pro 1000 Besuchern 2,58 Dollar Umsatz. Vier Fünftel der Twitter-Nutzer sind jedoch in ärmeren Ländern wie Indonesien oder Brasilien beheimatet. Dort bringen 1000 Klicks gerade einmal 36 Cent.

Zudem wächst die Nutzerzahl deutlich langsamer als früher. Und auch die vorhandenen Nutzer sind offenbar schwer zu motivieren, den Dienst öfter zu nutzen. Laut einer Reuters-Umfrage nutzt jeder Dritte Anwender sein Twitter-Konto kein einziges Mal. Irgendwann wird Twitter wohl tatsächlich Geld verdienen. Fraglich bleibt aber, warum irgendjemand der Firma dafür heute schon so viel Geld geben sollte.

HISTORIE

2006:Twitter entsteht aus dem gescheiterten Podcast-Projekt Odeo.

2007: Twitter wird offiziell gegründet.

2008: Mit dem Bekanntheitsgrad nehmen auch die Computerprobleme

zu. Es folgen mehrere Wechsel an der Unternehmensspitze.

2009: Das Nachrichtenmagazin „Time“ nimmt „die Jungs von Twitter“ in seine jährliche Liste der einflussreichsten Menschen auf.

2011: Demonstranten im Nahen Osten nutzen Netzwerke wie Twitter und Facebook, um ihren Widerstand gegen repressive Regimes zu organisieren.

2013: Twitter geht an die Börse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2013)

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