Mikrowohnungen

So denken wie beim Schiffsbau

Je kleiner die Wohnung, umso wichtiger die Aussicht.
Je kleiner die Wohnung, umso wichtiger die Aussicht.Getty Images/KatarzynaBialasiewicz
  • Drucken

Einraumwohnungen boomten lange Zeit, nun geht die Tendenz wieder in Richtung größerer Grundrisse. Wo Kleinstwohnungen dennoch gefragt sind – und worauf man bei Planung, Miete oder Kauf auf jeden Fall achten sollte.

Früher gern Garçonnière oder Zimmer/Küche-Wohnung genannt, waren Einraumwohnungen im urbanen Raum lange Zeit als günstige Unterkünfte für Studenten im Altbau oder, etwas luxuriöser, für Singles im Neubau zu finden. Vor einigen Jahren wurden wieder vermehrt kleine Einheiten – Mikrowohnungen – errichtet. „In Wien muss sie mindestens 35 m2 haben, um als Wohnung zu gelten. Anders als etwa in Asien, wo Mikroappartements tatsächlich mikro sind, oft nur zehn bis 15 Quadratmeter haben. Das grenzt für mich an Unmenschlichkeit“, sagt Architekt Bernhard Liegler, von Liegler Takeh Architekten, der etwa Mikroappartements in der Wiener Rotenturmstraße umgesetzt hat.

Blickachse nach außen

„Viel Spielraum, etwa für ausgefallene Grundrisse, bleibt nicht. Meist planen wir zusätzlich zum Hauptraum einen kleinen Vorraum und ein Bad mit einer großen Dusche“, erklärt Liegler. „Besonders wichtig ist die Blickachse nach außen, ein großes Fenster, das einen möglichst netten und weiten Ausblick ermöglicht und nicht auf die Feuermauer des nächsten Hauses geht. Denn dann entsteht tatsächlich so etwas wie Gefängnisatmosphäre“, führt Liegler aus. Auch die Ausstattung und Möblierung müssen gut durchdacht – und sollten bereits vorhanden sein, „im Prinzip muss man denken wie beim Schiffsbau“.

»Ein so kleiner Raum benötigt eine Choreografie, man muss Verkehrsflächen einsparen, braucht eine flexible Gestaltung und einen schönen Bezug zum Freiraum.“«

Ali ­Seghatoleslami

PSLA Architekten

„Ein so kleiner Raum benötigt eine Choreografie, man muss Verkehrsflächen einsparen, braucht eine flexible Gestaltung, einen Bezug zum Freiraum“, erklärt Architekt Ali ­Seghatoleslami von PSLA Architekten. „Auch die Farbgebung spielt eine große Rolle. Je enger ein Raum, desto näher rücken Wände und Decke.“ Das gilt auch für Türen. „Wir planen so, dass es nur zwei Türen gibt: die Eingangstür und die zum Bad. Der Vorraum wird durch unterschiedliche Bodengestaltung oder Farbgebung separiert. Die Tür zum Bad muss sein“, erklärt Liegler. „Schiebetüren sind akustisch meist nicht dicht.“ Man sollte sie nur einsetzen, wenn eine optische Trennung genügt.

Einheitliches Farbkonzept mit viel Stauraum hilft, den Raum optimal zu nutzen. Blick in ein Objekt in der Rotenturmstraße.
Einheitliches Farbkonzept mit viel Stauraum hilft, den Raum optimal zu nutzen. Blick in ein Objekt in der Rotenturmstraße.Liegler-Takeh-Architekten

Wie bringt man nun Schlafen, Kochen, Essen, oft auch Arbeiten auf 35 Quadratmeter unter? „In jedem Fall muss es eine Möglichkeit geben, das Bett verschwinden zu lassen, wenn man es nicht braucht. Wir haben zu einer Oldschool-Methode gegriffen: das gute alte Klappbett. Es ist immer noch die einfachste Maßnahme, ein Bett einfach an die Wand zu klappen“, sagt Liegler. Natürlich sollten auch Schränke, Tische, eventuell Kästen flexibel sein und möglichst viele Funktionen erfüllen. Stauraum zu generieren ist auch ein Problem, „über der Küchenzeile wäre eine Lösung“, meint Architekt und Designer Martin Mostböck. Naturgemäß bleiben nicht viel mehr Möglichkeiten, als den Raum unter der Decke gezielt auszunutzen.

Ideal auf Zeit

Gedacht sind diese Wohnungen eher als Übergangslösung für Studierende oder Expats denn als Dauerlösung. Viele Architekten sehen den Trend zur „Miniaturisierung“ eher bedenklich. „Es ist keine gute Entwicklung, wenn sich die Menschen nur mehr so kleine Wohnungen leisten können. Und man sollte auch bedenken, dass kleine Wohnungen im Verhältnis immer teurer sind als große und den Vermietern einen höheren Gewinn bringen“, meint etwa Seghatoleslami.

In die Höhe zu planen schafft Stauraum - auch bei größerem Wohnen wie bei diesem Townhouse in Neubau von PSLA.
In die Höhe zu planen schafft Stauraum - auch bei größerem Wohnen wie bei diesem Townhouse in Neubau von PSLA.Simone Bossi

Bei CBRE sieht man die Entwicklung differenzierter: „Mittlerweile geht die Tendenz wieder in die entgegengesetzte Richtung. Grundrisse werden wieder größer, das beobachten wir in unterschiedlichen Märkten“, erläutert Laura Holzheimer, Head of Research bei CBRE. Das ist auch der Pandemie geschuldet, da die Menschen mehr Zeit zu Hause verbracht und sich die Ansprüche an den Wohnraum verändert haben. „Der Bauboom der Kleinwohnungen der Vorjahre hat außerdem zu einem enormen Mangel an Familienwohnungen geführt“, weiß Holzheimer.

„Im Mix des Wohnungsangebots sind Mikrowohnungen durchaus wichtig“, ist Liegler überzeugt. „Vor allem im Zusammenhang mit Serviced Apartments will man sie nicht mehr missen“, sagt Mostböck. Auch bei CBRE spricht man den Miniwohnungen die Berechtigung nicht ab: „Unserer Ansicht nach gibt es durchaus Nachfrage nach Mikroappartements. Diese sind insofern für Investoren attraktiv, als man auf kleinerer Fläche natürlich höhere Mieten ansetzen kann. Allerdings muss man die Zielgruppe im Auge behalten“, hält Holzheimer fest.

Wichtig zu wissen

Definition: Mikroappartements sind Einraum­wohnungen, in denen Wohnzimmer, Schlafzimmer und Essbereich, meist auch eine Küchenzeile, kombiniert sind. Zusätzlich gibt es ein Badezimmer und meist einen Vorraum. In Wien gelten 35 Quadratmeter als Limit, in anderen Ländern gibt es auch wesentlich kleinere Einheiten unter diesem Namen.

Zielgruppe: Für Expats, Studierende und bescheidene Singles sind Einraumwohnungen eine gute Lösung. Als Dauerwohnung für Paare oder Familien, die sich keine andere Wohnung mehr leisten können, sind sie denkbar ungeeignet. Es fehlen Rückzugsmöglichkeiten, Stauraum und Platz zum Spielen oder für Hobbys.

Kriterien: Wichtig ist ein guter Ausblick, der den Raum optisch vergrößert. Zwei Türen – zur Wohnung, zum Bad – genügen. Die Einrichtung, wie Küche, Klappbett, flexible Möbel und Stauraum unter der Decke – etwa über den Küchenkästen –, sollte schon eingebaut und von der Farbgebung her einheitlich und hell gestaltet sein.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.