GarageX: Witziges Popo-Theater über den Schönheitswahn

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Eine neue Bühnenfassung treibt die Satire in Charlotte Roches "Feuchtgebieten" gekonnt auf die Spitze.

Im Grunde genommen ist Charlotte Roche eine Art-Pop-Literatin. Anders als mancher Schriftsteller der alten Schule, der im stillen Kämmerlein dichtet, das Rampenlicht scheut und die Herkunft seiner Figuren verbirgt, steht der Popliterat wie der Popstar mit seiner ganzen Person, seiner Selbstinszenierung, seiner Biografie, seinem Jammer, seiner Liebe und seinen Entgleisungen gern im Rampenlicht. Das gehört zum Geschäft wie die Rundumvermarktung des Menschen und seines Produkts.

Seit Mittwochabend sind in der noch immer herrlich schmuddeligen GarageX, einem widerborstigen Biotop inmitten der immer blitzsauberer und luxuriöser werdenden City, „Feuchtgebiete“ zu sehen. Buch und Film gab es, auch mehrere Theaterfassungen, jene in Wien ist neu. Während das Buch peinigend-peinlich realistisch ist, der Film von der großartig-frivolen Hauptdarstellerin (Carla Juri) lebt, schälen Angelika Zacek und Hannah Lioba Egenolf die Satire aus Roches Selbstoffenbarung heraus.

Zacek, die auch inszeniert hat, zeichnet mit Ausstatter Renato Uz ein an Jelinek- oder Streeruwitz-Aufführungen erinnerndes, groteskes Ambiente. Zu Beginn sind aktuelle und historische Werbespots für Intimhygiene und Schönheitsutensilien zu sehen: Slipeinlagen, mit denen „frau“ sauber und diskret die Businesswelt erobern kann, supersanfte Rasierklingen, Faltencremes. Die drei Schauspielerinnen (Nina Horvath, Nicola Schößler, Anna Franziska Srna) absolvieren einen furiosen Parforceritt durch Roches krasse Tiraden, anfangs mit schwarzen Perücken und kurzen Röckchen als niedliche Lockvögel gestylt, später entblättern sie sich immer mehr. Zwischen feuchten Höschen und blutigen Tampons, Videos von Körperteilen, die man selten sieht, und burleskem Spiel werden Reinheitswahn und Körperkult zerpflückt. Auch Blessuren, Zumutungen des Sexsports werden deutlich.

Altmodisch erscheint der psychologische Ansatz der Geschichte vom Scheidungskind, das hofft, an seinem Krankenbett die Eltern wieder zusammenzuführen: Mama ist die Böse, die der Tochter die eigenen Störungen anzüchtet, Papa ist der liebe Gott, auch wenn er dem Kind den Rücken so schlampig einschmiert, dass es Sonnenbrand bekommt.

Vor allem Frauen amüsierten sich

Streicht man von Roche das Porno- und Popo-Theater rundum „Pipi“, „Kacka“, Regelblut und Morgenlatte weg, bleibt doch ein recht konventioneller Plot übrig – den diese Aufführung indes, wohl unterfüttert mit modernen Genderstudies, aber auch mit Lust am Provokanten, glamourös einhüllt.

Manche Männer sah man verlegen beiseiteblicken, die Frau lachten herzlich und dreckig. Die Pornoindustrie galt immer als Domäne von Männern und Männerfantasien, auch in dieser Hinsicht hat sich in der heutigen Zeit einiges umgekehrt. Gut so. Trotzdem ist dieser kurzweilige 70-Minuten-Abend, ob Mann oder Frau, nur Fans von Hardcore-Theater zu empfehlen. Einiges wirkt doch allzu unappetitlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2013)

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