Der ökonomische Blick

Arbeitsproduktivität: Darf’s ein bisschen mehr sein?

Steigende Arbeitsproduktivität ist eine treibende Kraft für Wirtschaftswachstum. Doch wie lässt sie sich in Österreich wieder steigern?
Steigende Arbeitsproduktivität ist eine treibende Kraft für Wirtschaftswachstum. Doch wie lässt sie sich in Österreich wieder steigern?Die Presse/Clemens Fabry
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Die Arbeitsproduktivität ist in Österreich, wie auch in den meisten anderen hoch entwickelten Ländern, in den letzten Jahrzehnten stetig gesunken. Woran liegt das?

Bei vielen wirtschaftspolitischen Debatten spielt die Arbeitsproduktivität und deren Veränderung eine zentrale Rolle. Sie misst die realen Güter und Dienstleistungen, die alle Erwerbstätigen mit ihren geleisteten Arbeitsstunden in einem Jahr erbringen und ist ein wichtiger Indikator für den Erfolg einzelner Betrieb ebenso wie von Volkswirtschaften in einer globalen Welt. Steigende Arbeitsproduktivität ist eine treibende Kraft für Wirtschaftswachstum. Sie gibt den Rahmen vor, innerhalb dessen Löhne real steigen können, ohne dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit Schaden nimmt oder Arbeitslosigkeit und Inflation zunehmen. Schließlich trägt sie zur Sicherung unserer Sozialsysteme bei.

In Österreich ist die Arbeitsproduktivität seit dem Jahr 2000 jährlich um durchschnittlich 1,3 Prozent gewachsen. Das entspricht zwar dem mittleren Zuwachs in der Eurozone, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass dieser Wert hier wie in den meisten hoch entwickelten Ländern in den letzten Jahrzehnten stetig gesunken ist. Die USA sind ein Land, wo er noch merklich höher liegt.

Was ist „Der ökonomische Blick“?

Jede Woche gestaltet die Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) in Kooperation mit der „Presse“ einen Blogbeitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Dieser Beitrag ist auch Teil des Defacto Blogs der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Central European University (CEU). Die CEU ist seit 2019 in Wien ansässig.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse“-Redaktion entsprechen.

Europa wird immer älter

Woran liegt das? Eine mögliche Erklärung liefert die schnell voranschreitende Alterung von Bevölkerung und Erwerbstätigen in Europa. Mit zunehmendem Alter sinkt nicht nur deren Bereitschaft, den Umgang mit neuen Technologien oder Arbeitsprozessen zu erlernen, sondern auch Risiko zu übernehmen und ein Unternehmen zu gründen. Beides ist für den anhaltenden Strukturwandel in Richtung computer- oder KI-gestützte Produktions- und Dienstleistungsgesellschaft unerlässlich, zumal damit Innovationen verbunden sind, die helfen, die Arbeitsproduktivität zu steigern und zukünftig Arbeitsplätze zu schaffen oder zu sichern.[1]

Ein weiterer Grund liegt zweifellos in der Tatsache, dass die Digitalisierung von Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft sowie die Automatisierung in vielen Kernländern der Eurozone sehr viel später begonnen hat und merklich langsamer vorankommt als in anderen vergleichbaren Volkswirtschaften. Handfeste Evidenz dafür liefert zum einen der jüngste Bericht der Europäischen Investitionsbank.[2] Danach steigt die Kluft zwischen Euroraum und USA im Anteil privater produktivitätsfördernder Investitionen am jeweiligen BIP seit der Wirtschafts- und Finanzkrise stetig an. Diese Investitionen umfassen nicht nur Ausrüstungsinvestitionen in Form von Maschinen, sondern auch solche in Kommunikations- und Informationstechnologien sowie neue Patente oder Lizenzen zum Schutz geistigen Eigentums. Zum anderen sind Entwicklung und Einsatz KI-gestützter Technologien im Euroraum im internationalen Vergleich noch überschaubar. In Österreich und Deutschland ist ihr Einsatz bisher im Wesentlichen auf die Industrie beschränkt.

Mehr junge Fachkräfte und Digitalisierung notwendig

Wie lässt sich die Arbeitsproduktivität wieder steigern? Die Antwort umfasst einen Mix aus besserer Bildung, mehr jungen Fachkräften und Digitalisierung bzw. KI-basierte Technologien, wobei diese Bereiche eng miteinander verflochten sind. Eine qualitativ hochwertige Aus- und Weiterbildung in Schulen, Betrieben und Hochschulen fördert die Bereitschaft, Neues auszuprobieren und Verantwortung und Risiko zu übernehmen. Es sind nachweislich nicht die Jahre an Bildung oder die gesammelten Abschlüsse, sondern die konkreten Inhalte, welche junge Menschen auf die gesellschaftlichen und technologischen Herausforderungen der Zukunft vorbereiten und den Beschäftigungserfolg nachhaltig positiv beeinflussen. Insbesondere den MINT-Fächern kommt hierbei eine große Bedeutung zu. Aber PISA Studien der letzten Jahre bescheinigen den Prüflingen aus Österreich und Deutschland im internationalen Vergleich gerade darin nur noch Mittelmäßigkeit.

Die anhaltende Diskussion über Sinn und Umfang der Reform des Informatikunterrichts an allgemeinbildenden Schulen unterstreicht diese Misere. Dabei zeigen empirische Studien, dass jüngere, gut ausgebildete Arbeitskräfte erfolgreicher mit Computern und KI-gestützten Technologien arbeiten als ältere.[3] Angesichts der voranschreitenden Alterung gilt es außerdem, das Potenzial an jungen Fachkräften zu heben. Dazu zählen gut ausgebildete jüngere Frauen, die wegen familiärer Pflichten in Teilzeit oder überhaupt nicht arbeiten, ebenso wie Fachkräfte im Ausland, die angeworben und integriert werden müssen. Schließlich muss die Digitalisierung schneller und breiter vorangetrieben und durch den Einsatz von Robotern und Künstlicher Intelligenz ergänzt werden. Dadurch können auch im Servicesektor Routinearbeiten ersetzt und anspruchsvolle, kreative Tätigkeiten unterstützt werden. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der Service-Roboter in der Gastronomie.

Dieser Mix unterstützt den Wandel hin zu einer modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Er wirkt sich positiv auf die Arbeitsproduktivität aus und gibt den Verantwortlichen wieder mehr Spielräume, um die vielfältigen gesellschaftlichen Aufgaben zu finanzieren und den hohen Lebensstandard zu sichern.

Die Autorin

Monika Merz ist Professorin für Makroökonomik an der Universität Wien. Sie ist Mitglied im CEPR, London. In ihrer aktuellen Forschung beschäftigt sie sich mit den ökonomischen Bestimmungsgründen von gesamtwirtschaftlicher Marktarbeit und der Rolle von Risikopräferenzen für Unternehmensgründungen.

Referenzen

[1] Karaha, Pugsley, Sahin 2021. “Demographic origins of the start-up deficit.”

[2] European Investment Bank 2022. “Investment report 2022/23.”

[3] Albanesi, Dias da Silva, Jimeno, Lamo, Wabitsch 2023. “New technologies and jobs in Europe.”

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