Geschichte

Die Werftler von Korneuburg und ihre Identität

Der Traum der Forschenden: ein Museum auf dem Gelände der Werft Korneuburg.
Der Traum der Forschenden: ein Museum auf dem Gelände der Werft Korneuburg.Clemens Fabry
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In dem Projekt „Industrie im Dialog“ der Donau-Uni Krems wird die Schiffswerft von Korneuburg untersucht. Vorerst konzentriert man sich auf die seinerzeitige Ausbildung in den Lehrwerkstätten. HAK-Schülerinnen und -Schüler helfen bei den Interviews mit den Zeitzeugen.

Wolga, Dnjepr, Gorki, Puschkin, Tschechow oder Tolstoi – insgesamt 20 luxuriöse Flusskreuzfahrtschiffe sowie weitere Schubschiffe, sieben Gemüsekühlschiffe, zehn eisgängige Hochsee-Holztransportschiffe und zwei Schwimmkräne sind heute noch auf den Gewässern Russlands und einige in der Ukraine unterwegs. Die österreichische Weft Korneuburg, die diese Schiffe von der Konstruktion bis hin zu den kleinsten inneren Ausstattungsdetails fertigte, wurde nach 1945 von der früheren Sowjetunion immer wieder als Herstellungsort gewählt. Heute, 30 Jahre nach Schließung der Schiffswerft, ist die Geschichte dieses für viele Länder tätigen Industriebetriebes weitgehend in Vergessenheit geraten.

Maschinen, Fotos, Schriftstücke

„Uns liegen mehrere Hunderttausend Objekte aus der Werft vor“, sagt Anja Grebe, Professorin für Kulturwissenschaften und Museale Sammlungswissenschaften an der Donau-Uni Krems. Wobei mit Objekten Gegenstände, Maschinen, Fotos und Schriftstücke wie Dokumente, Verträge und Briefzeugnisse gemeint sind.

In der Vorwoche startete die Donau-Uni das neue Forschungsprojekt „Industrie im Dialog“, das die Aufarbeitung der Werksgeschichte in Angriff nimmt. Angesichts der Fülle des Materials liegt der Fokus auf den beiden Lehrwerkstätten der alten Werft.

Bis zu 120 Lehrlinge gab es

In der Lehrwerkstätte wurden die Jugendlichen für insgesamt elf Berufe ausgebildet. Das waren in erster Linie metallverarbeitende Berufe, aber auch Tischler, Technische Zeichner und Industriekaufmann bzw. -kauffrau. „Wir hatten bis zu 120 Lehrlinge“, sagt Otto Pacher, der auch selbst unterrichtet hat. Pacher begann 1961 die Betriebselektrikerlehre und blieb bis zur Schließung der Werft – damals bereits leitender Angestellter – im Betrieb. Dabei musste er den langsamen Abstieg des Unternehmens miterleben. Von 1500 Mitarbeitern im ersten Nachkriegsjahrzehnt auf 700 bis 750 in den 1970er- und 1980er-Jahren auf zuletzt 400. Das letzte fertiggestellte Schiff war das Schulschiff Bertha von Suttner, das seit 1964 als AHS-Standort bei der Floridsdorfer Brücke in Wien ankert.

Das Forschungsprojekt der Donau-Uni, das im Rahmen des Technologie- und Innovationsprogramms des Landes Niederösterreich eingerichtet wurde, ist eine Kooperation mit dem Museumsverein Korneuburg und der Handelsakademie der Stadt eingegangen. HAK-Schüler und -Schülerinnen sollen sich an den Interviews mit den Zeitzeugen beteiligen, Fragen stellen und Erkenntnisse über Berufslaufbahnen gewinnen. „Die Werftler haben sich stark mit ihrem Betrieb identifiziert“, so skizziert Otto Pacher, der heute auch Obmann des Museumsvereins ist, eine der möglichen Erkenntnisse. 15 ehemalige Werftarbeiter sind bereits für Interviews nominiert, sagt Co-Projektleiterin Hanna Brinkmann (Donau-Uni Krems).

Hafenfest dieses Wochenende

Die Laufzeit des Forschungsprojekts wurde bis zum März 2025 festgelegt. Ob dann wissenschaftliche Vorhaben folgen werden, ist ungewiss. Wunschtraum der Donau-Uni und der Stadt Korneuburg wäre ein eigenes Museum auf dem Werftgelände. Das fast 20 Hektar große Areal ist heute unbenutzt und sogar frei zugänglich. An diesem Wochenende wird auf dem Werksgelände ein Hafenfest veranstaltet. Historische Raritäten der Schifffahrt sind zu sehen, eine Schauwerkstätte ist geöffnet, und Bootsrundfahrten werden angeboten.

Lexikon

Die Gründung entlang einem Korneuburger Seitenarm der Donau erfolgte 1852 als Reparatur- und Schleppbauwerft. Ab 1897 wurden Dampfschiffe gefertigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine prosperierende Nebenproduktion, die von Seilbahnkabinen über Kunststoffbehälter bis zu Sanitäranlagen reichte.

Das Ende des Betriebs wurde 1991 durch die Privatisierung eingeleitet, schon zwei Jahre darauf erfolgt die Schließung. Das Werftgelände gehört heute zu je 50 Prozent der Stadt Korneuburg und der Signa Holding. Es ist zurzeit unbenützt.

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