Grödig: "Wir spielen für euch, kämpfen für Sie. Danke"

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Zwischen Äckern und Feldern befindet sich eines der Epizentren des Wettskandals. Grödigs Untersbergarena erlebte gegen Austria ein Fest, das kurzerhand allen Ärger vergessen ließ. Ein Lokalaugenschein.

Zu Saisonstart der Fußballbundesliga stand ausschließlich das Idyll im Mittelpunkt, als es darum ging, Aufsteiger SV Grödig zu umschreiben. Vom Wunder war die Rede, vom unendlichen Einsatz der Familie Haas, deren finanziellen Aufwand und die endlose Euphorie, die dem Dorfklub zusätzlichen Aufschwung brachte. Den Durchmarsch aus der Regionalliga direkt in die höchste Spielklasse und den wundersamen Siegeszug galt es zu feiern. Unzählige Geschichten drehten sich nur um den Kreisverkehr, der eigens an Spieltagen Zuschauern die Zufahrt zur Untersbergarena erleichtern sollte. Zusatztribünen, Aufputz und sogar asphaltierte Parkplätze wurden versprochen – in Grödig, dem Stadion neben der A10-Tauernautobahn, herrschte Aufbruchstimmung. Ein Dorfklub, die Mannschaft von Trainer Adi Hütter, wollte Österreich so richtig „aufmischen“.

Niemand will betrogen werden

Nun, nach 17 Runden, ist Ernüchterung in Salzburg eingekehrt. Der Wettskandal und die Machenschaften zweier Spieler, von denen sich der Klub nach Bekanntwerden aller Details getrennt hat, überschatten dieses Idyll. Es gibt keine Wunder mehr. Der Glaube daran wurde zerstört. Es soll Betrug im Spiel gewesen sein, Manipulation, die von der Wettmafia verlangt und von zwei bis vier Spielern umgesetzt wurde. Siege wurden verkauft, für Handgelder und zum Teil abstruse Forderungen oder Abmachungen via SMS gegen Remis oder Niederlagen getauscht. Die Begeisterung der Fangemeinde ist nun längst nicht mehr grenzenlos. Logisch, wer will denn schon enttäuscht, getäuscht, betrogen werden? Welche Leistung zählt noch? Ist ein Foul ehrlich, patschert, oder hat es andere Intentionen?

1652 Zuschauer waren jedenfalls zum Spiel gegen Austria, den Champions-League-Teilnehmer und Titelverteidiger, gekommen. Nur ein Mal in dieser Saison war die Arena mit 4756 Besuchern ausverkauft: im Derby gegen Salzburg im vergangenen Oktober. Sonst herrscht der übliche Andrang der eingeschworenen Klientel. Doch vieles, über das zuletzt hinweggesehen wurde, ist noch ein Problem. Die Anfahrt zum Stadion ist absurd, sie führt zwischen Äckern und an Einfamilienhäusern vorbei über eine einzige Zufahrtsstraße.

Von Größe zeugt nur das VIP-Zelt, die Arena gleicht einem Hohn. Zwei überdachte Tribünen, entlang einer Längsseite faszinieren Zäune und der weithin ungetrübte Blick auf ein Maisfeld, den Untersberg und die A10. Wer ohne Auto kommt, ist nach Schlusspfiff – auch die Bundesliga trägt daran Schuld aufgrund zu später Anpfiffzeiten – heillos verloren. Es gibt keine Taxis, Busse, nichts. Es bleibt nur der Fußweg. Über Äcker, auf Landstraßen, im Dunklen.

Für das Spiel gegen Austria hatte der Platzwart alles gegeben, erst wenige Stunden vor Anpfiff hatte er das letzte Eis, die letzten Schneemengen vom Rasen gekratzt. Gatsch und weicher Boden missfielen den Wienern, sehr zum Gaudium einiger Zuschauer. „Am Fuße des Unterbergs gibt es eben keinen Wembley-Rasen“, meinte ein Beobachter. Ein anderer schwärmte vom „Naturschauspiel“, als er den Sonnenuntergang lobte. Mit echtem Sport, Profifußball, mit dem hat all das nichts zu tun. Aber auch der Vergleich mit dem FC Porto, der Champions League und eben Grödig hat einen langen Bart. Es liegen Welten dazwischen, auch im Wollen, Können und in dem Einsatz der Violetten. Es war erbärmlich, kalt, ein schlechtes Spiel beider Teams, bei dem vor allem der Meister vollends enttäuschte.

„Ihr sollt unsere Meister sein?“

„Scheißwiener“, dröhnte es von der Tribüne, die die wahre Größe der SV Grödig widerspiegelt. 31 – abgezählte – Fans machten auf der Tribüne hinter dem Tor lautstark Stimmung für die Gastgeber. Drei schwangen Fahnen, hüpften, grölten bzw. sangen. „Ihr könnt nach Hause fahren!“, schrieen sie, als Grödig mit 1:0 in Führung ging, „ihr sollt unser Meister sein?“, als das Match vorbei war. Die eigentliche Sensation, dass ihr Klub einen selten so stark erlebten Zusammenhalt zeigte und die im Zuge des Wettskandals einvernommenen Spieler Mario Leitgeb (war Kapitän) und Stefan Nutz (Torschütze) mit Spielzeit und Rückhalt stärkte, ging dabei beinahe unter. Ebenso der intervenierende Pfiff eines Fans, der fast für den Abbruch des Spiels nach 32 Minuten gesorgt hätte, oder ein aberkanntes Hosiner-Tor, das nie und nimmer abseits war. Das zum Einmarsch der Spieler die Titelmelodie der „Pirates of the Caribbean“, einem Disney-Epos über die Machenschaften von Betrügern, Räubern, Dieben etc., ertönt ist, darf bei der Skizzierung dieses Spieltags nicht unerwähnt bleiben.

Grödig gewann dennoch fair und verdient mit 1:0, Austria kann den Aufsteiger nicht bezwingen, und wer Vorstand Thomas Parits kennt, der weiß, dass er nicht umsonst wutentbrannt nach dem Schlusspfiff in den Mannschaftsbus gestürmt war.

„Ich beantworte nur Fragen zu sportlichen Belangen“, hatte Adi Hütter vor Anpfiff in den kalten Kabinengängen noch gesagt. „Es ist eine unangenehme Situation, es gibt so viele Unwahrheiten. Die Enttäuschung ist zu groß, ich will davon nichts mehr wissen und hoffe, die Mannschaft spielt mit Wut im Bauch, gibt die richtige Antwort.“ Hütter und Sportchef Christian Haas waren aufgrund der Ereignisse wiederholt zur causa prima befragt worden, die Antworten geben Polizei und einvernommene Spieler. „Wir haben die einzig richtige Antwort geliefert“, sagte Haas nach Schlusspfiff. „Ich bin stolz; es zeigt, dass unsere Mannschaft weiterhin existiert. Die Typen, von denen wir uns getrennt haben, haben im Fußball nichts zu suchen.“

Es geht um Ehrlichkeit

Auch Hütter, der den Klub in die höchste Spielklasse geführt und im Spitzenfeld etabliert hatte, stimmte dem zu. Wie viele Punkte durch Manipulation verloren gegangen sind, vermochte er nicht zu beantworten. Dass er Thomas Zündel entdeckt, geformt und zum Bundesligaspieler gemacht hatte, wusste er schon noch. Als Trainer sei er darauf stolz, als Mensch wollte er es nicht kommentieren. „Schade. Der Klub hat aber konsequent entschieden.“ In diesem Punkt lebt das Idyll also weiter. Trotz der Dunkelheit und Kälte entlang der gefrorenen Maisfelder. „Grödig bietet ehrlichen Fußball“, sagt Christian Haas. „Wir spielen für euch, wir kämpfen für Sie. Danke.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2013)

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