Amazons neue Drohnen: Die Nachfahren der Brieftauben

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Kleine Luftfahrzeuge sollen schon in wenigen Jahren eilige Amazon-Packerln liefern. Sie erinnern in manchem an die gute alte Taubenpost.

Staunen erweckte Sonntagnacht europäischer beziehungsweise am Abend US-amerikanischer Zeit in der CBS-Sendung „60 minutes“ der Chef von Amazon, Jeff Bezos. Sein Unternehmen arbeite an Minidrohnen, verkündete er. Schon in vier, fünf Jahren sollen die unbemannten Fluggeräte eilige Pakete im Umkreis von 16Kilometern befördern.

Ein guter PR-Coup, auch wenn man Bezos Zeitangaben nicht allzu wörtlich nehmen sollte. Die GPS-Technik etwa ist für städtische Drohnenpost noch etwas zu ungenau, ein weiteres Hauptproblem sind die Luftfahrtgesetze. Doch kommen werden sie wohl, die Amazon-Drohnen, bedenkt man, wie fortgeschritten Minidrohnen im militärischen, zivilen und Spielzeugbereich schon sind. Erst vor Kurzem wurden in Deutschland durch eine Handy-App aktivierbare „Defikopter“-Drohnen vorgestellt; sie können plötzliche Herztode verhindern, indem sie am Standort des Patienten einen Defibrillator abwerfen.

Dass Menschen Geräte so programmieren können, dass sie auf den Meter genau irgendwo hinfliegen (zumindest theoretisch), ist erstaunlich. Mindestens ebenso erstaunlich ist freilich, dass Tauben schon seit der Antike dazu verwendet werden konnten, über Hunderte von Kilometern Nachrichten zu einem präzisen Punkt zu transportieren. Und das, obwohl die Wissenschaft bis heute nicht genau weiß, wie sie zu ihrem Schlag bzw. Futterplatz finden. (Eine neuere Studie deutet darauf hin, dass sie sich u.a. mithilfe des Innenohrs an dem Magnetfeld der Erde orientieren.) Bis zur Telegrafen-Erfindung waren sie die schnellsten Boten, auf Brieftauben setzte auch die berühmte Nachrichtenagentur Reuters in ihren Anfängen Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die Tauben konnten aber nicht nur Briefe befördern, sondern nach einschlägigem Training auch leichte Päckchen tragen. Noch 1977 tauschten das Plymouth General Hospital und das Devonport Hospital in England jeden Morgen Laborproben auf diesem Wege aus. Und schon ein Jahrhundert davor hatte der deutsche Arzt Julius Neubronner seine Tauben bis zu 75 Gramm schwere Medikamente zu Patienten bringen lassen.

Mit Drohnen lassen sich Fotos aus der Luft machen, mit Tauben auch. Als eines seiner Tiere sich wegen des Nebels verirrte und erst nach Wochen zurückkam, hatte der erwähnte Julius Neubronner die Idee, seinen Tauben automatische Fotoapparate umzubinden. Aus Scherz wurde Ernst, als die Militärs im Ersten Weltkrieg die Tauben zur Luftaufklärung nutzten – allerdings mit sehr bescheidenem Erfolg.

Natürlich sind Drohnen in fast allem der Brieftaube überlegen, aber nur fast: Das beweist der Künstler Duke Riley in Florida mit einer Protestaktion zum US-Handelsembargo gegen Kuba. Riley trainierte vier Jahre lang fünfzig Tauben und ließ sie dann Zigarren von Havanna nach Key West schmuggeln. In dieser südlichsten Stadt der USA werden die raffiniertesten Überwachungssysteme gegen den Schmuggel eingesetzt, doch die Brieftauben kommen trotzdem durch, sie sind zu klein für den Radar, werden von Überwachungskameras nicht beachtet – und auch von den Drohnen in Ruhe gelassen. Mit genügend Einfallsreichtum besiegt also auch David den Goliath, i.e. die Taube die Drohne.

E-Mails:anne-catherine.simon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2013)

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