Arbeit verteuert sich doppelt so schnell wie in der EU

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In den vergangenen eineinhalb Jahren stiegen die Arbeitskosten doppelt so schnell wie im Schnitt der EU. Schuld daran sind nicht zu hohe Löhne für die Mitarbeiter, sondern vor allem die hohe Steuerlast auf Arbeitseinkommen.

Wien. Seit Anfang 2008 müssen Unternehmen drastisch mehr Geld ausgeben, wenn sie in Österreich Mitarbeiter anstellen wollen. Zu diesem Schluss kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Deutschland. Demnach sind die Arbeitskosten in den vergangenen eineinhalb Jahren hierzulande mit 4,4 Prozent genau doppelt so schnell stiegen wie im Schnitt der EU-27 (siehe Grafik). Experten zufolge ist das mit ein Grund für die zuletzt stark gestiegene Arbeitslosigkeit. Selbst im Nachbarland Deutschland, das ob seiner „zu starken“ Wettbewerbsfähigkeit zuletzt international zu großzügigen Lohnerhöhungen gedrängt wurde, entwickelten sich die Arbeitskosten mit einem Plus von 2,8Prozent deutlich langsamer als in Österreich. Bei den absoluten Arbeitskosten liegen die beiden Länder nun etwa gleichauf.

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Auf Platz neun der teuersten Länder

Dass Arbeit in Deutschland sich etwas schneller verteuert als im Rest der EU, interpretieren die Forscher als „natürlichen Nachholprozess“ nach Jahren einer eher schwachen Lohnentwicklung. Für Österreich ist diese Erklärung allerdings nicht anwendbar. Während das Nachbarland seit der Jahrtausendwende tatsächlich nur sehr geringe Lohnsteigerungen aufzuweisen hatte, war Österreich spätestens ab dem Jahr 2008 stets an der Spitze jener Länder zu finden, in denen die Kosten besonders stark stiegen. In Summe bezahlen Unternehmen hierzulande 30,20 Euro je geleisteter Arbeitsstunde. Damit liegt Österreich am neunten Platz der teuersten EU-Länder.

Manche Ökonomen begrüßen diese Entwicklung in den höher entwickelten Industriestaaten des Kontinents, da so der Konsum der deutschen und österreichischen Arbeitnehmer gestärkt werde, was sowohl die Wirtschaft stabilisieren als auch ökonomische Ungleichgewichte im Euroraum abbauen soll. Diese Rechnung geht allerdings nicht wirklich auf. Denn stark steigende Arbeitskosten in Österreich bedeuten nicht, dass die heimischen Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren im Übermaß mit Geld überhäuft wurden. Fast die Hälfte der höheren Arbeitskosten bezahlen die Unternehmer nicht an ihre Mitarbeiter, sondern an den Staat: In Form von Steuern, Arbeitgeberanteil an den Sozialbeiträgen, Förderungen für gemeinnützigen Wohnbau usw.

Keine Aussicht auf Steuersenkung

Von jedem Euro, den ein Unternehmer an seine Angestellten bezahlt, landen im Schnitt nur 51,6 Cent auf dem Konto der Mitarbeiter, so die OECD. Das sind um 13,1 Cent weniger als im internationalen Schnitt. Alle Hoffnungen, dass die heimischen Politiker ihre Wahlversprechen aus dem Herbst wahr machen und eine Lohnsteuersenkung durchsetzen, haben sich spätestens mit dem „plötzlichen“ Auftauchen des Budgetlochs verflüchtigt.

Zur Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit einer Nation reichen die Arbeitskosten allein allerdings nicht aus. Denn erstens werden Energie- und Kapitalkosten nicht berücksichtigt. Zweitens macht es einen großen Unterschied, wie viel Mitarbeiter für ihren Stundenlohn leisten. So ist es zwar bemerkenswert, dass Griechenland seine Arbeitskosten um 5,8Prozent auf 15,6 Euro senken konnte. Die Differenz auf die 32 Euro Stundenlohn in Österreich machen heimische Arbeitnehmer jedoch mit einer höheren Produktivität derzeit noch mehr als wett. Als beste Messlatte für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft gelten die Lohnstückkosten (also die Lohnkosten pro produzierter Einheit). Hier steht Österreich derzeit im EU-Schnitt noch sehr gut da. Doch auch bei den Lohnstückkosten ist die Entwicklung nicht gerade rosig. Der Vorsprung, den sich das Land seit der Jahrtausendwende bis ins Jahr 2007 aufgebaut hat, schmilzt seitdem rasch ab. Von 2008 bis 2012 hat kaum ein anderes Land in der EU einen schnelleren Anstieg der Lohnstückkosten zu verzeichnen als Österreich. Auch in den ersten sechs Monaten des heurigen Jahres hielt dieser bedrohliche Trend unverändert an.

Industrie bezahlt am meisten

Die vergleichsweise höchsten Gehälter bezahlen hierzulande die Industriebetriebe. In dem Sektor erhöhten sich die Arbeitskosten zuletzt auf 32 Euro je Stunde. Deutlich weniger verdienen Österreicher im Dienstleistungssektor. Die Arbeitskosten fallen mit 29,1 Euro im Schnitt um ein Zehntel niedriger aus als in der Industrie.

Wie sich die Löhne im öffentlichen Dienst entwickelt haben, ist angesichts breiter Sparprogramme in weiten Teilen Europas besonders interessant. Von 2000 bis 2008 sind die Kosten für Staatsdiener quer über Europa deutlich schneller gestiegen als in der Privatwirtschaft. Einzige Ausnahme: Deutschland. Seit 2008 hat sich dieser Trend umgekehrt, die Effekte der Austeritätspolitik wurden deutlich sichtbar: Die Kosten im öffentlichen Dienst stiegen im Schnitt langsamer als in der Privatwirtschaft.

Ob das hierzulande auch so war, können die IMK-Forscher leider nicht beantworten. Österreich ist eines von sechs EU-Ländern, die Eurostat keine Auskunft über die Arbeitskosten ihrer Beamten geben wollten.

AUF EINEN BLICK

Die Arbeitskosten in Österreich stiegen seit 2012 doppelt so schnell wie im Schnitt der EU-27, so eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Deutschland. Das heißt aber nicht, dass Österreichs Angestellte übertrieben viel Lohn für ihre Arbeit bekommen. Fast die Hälfte jeder Lohnerhöhung landet über Steuern und Abgaben beim Staat. In nur vier Industrieländern verlangen die Finanzminister mehr Geld von arbeitenden Bürgern. Vor der Wahl haben das auch Österreichs Politiker noch gewusst und eine rasche Lohnsteuerreform versprochen. Nach dem „plötzlichen“ Auftauchen des Budgetlochs ist davon keine Rede mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2013)

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