US-Ökonom Eichengreen: "EZB verkennt Deflationsgefahr"

Berry Eichengreen
Berry EichengreenMichaela Bruckberger
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Die US-Notenbank könnte das Anleihenkaufprogramm bald zurückfahren. Eichengreen rät der EZB indes, ähnliche Mittel zu ergreifen. Zentralbank-Direktor Mersch will von Quantitative Easing vorerst nichts wissen.

Der US-Ökonom Barry Eichengreen rät der Europäischen Zentralbank zu einer Art "Quantitative Easing", also einem Anleihenkaufprogramm nach dem Modell der US-Notebank Fed. "Die Europäer haben ein Problem mit der Deflation - und die EZB verkennt die Gefahr", sagt Eichengreen im Interview mit der Nachrichtenagentur "Bloomberg".
Die Inflationsrate in der Eurozone ist derzeit auf einem Rekordtief von 0,7 Prozent im Jahresvergleich gefallen. Höchstes Ziel der EZB ist die Preisstabilität. Nach Definition der Zentralbanker ist diese bei einer Teuerungsrate unter - aber "nahe bei" - zwei Prozent.

Eichengreen: Prognosen zu optimistisch

Die meisten Prognosen über die Erholung in der Eurorzone seien zu optimistisch, warnt der Berkeley-Professor. "Im kommenden Jahr kommen viele Probleme auf die Europäer zu", sagt Eichengreen. Als Beispiele nennt er Hürden bei der Bankenunion und die politische Krise in Griechenland, wo die Preise derzeit in Rekordgeschwindigkeit fallen.

Die Senkung der Leitzinsen auf ein Rekordtief von 0,25 Prozent habe zu wenig gebracht, meint Eichengreen. Während sich Zeichen mehren, dass die Fed ihr Anleihenkaufprogramm zurücknimmt, rät Eichengreen der EZB im Kampf gegen die Deflation zu Quantitative Easing - zum Beispiel kombiniert mit zweckgebundenen Bankenkrediten, über die im EZB-Rat bereits vor kurzem diskutiert wurde.

EZB-Direktor warnt vor Überreaktion

EZB-Direktor Yves Mersch will indes von Quantitative Easing á la EZB nichts wissen. "Portfolien von Staatsanleihen der Euro-Mitgliedstaaten zu definieren und dann zu erwerben, würde die EZB vor immense ökonomische, juristische sowie politische Herausforderungen stellen."

Anders als Eichengreen sieht er derzeit keine Gefahr, dass die Wirtschaft in eine unheilvolle Deflationsspirale fällt, die mit geldpolitischen Mitteln kaum mehr bekämpft werden kann. Zwar sei eine längere Zeit niedriger Inflationsraten zu erwarten. "Ich rate aber eindringlich dazu, eine solche Lage deutlich von einem Deflationsszenario abzugrenzen. Von letzterem spräche man nur im Falle eines nachhaltigen Preisverfalls auf breiter Front über längere Zeit, das heißt über mehrere Quartale. Entsprechende Anzeichen gibt es derzeit nicht."

Pulver noch nicht verschossen

Die EZB habe ihr Pulver jedenfalls längst noch nicht verschossen, sagte Mersch. Grundsätzlich seien negative Zinsen, also Strafzinsen für Banken, die Geld lieber bei der Zentralbank parken würden, als es zu verleihen, denkbar. Auch diese würden bereits von den Zentralbankern diskutiert, wie "Die Presse" berichtete. Auch weitere Geldspritzen für das Finanzsystem könnten eine Option sein.

(Red./APA)

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