Ukraine: Hartes Pflaster und fruchtbare Böden

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Dass die Ukraine zu einem harten Pflaster geworden ist, spüren auch österreichische Unternehmen. Aber das Land lockt. Vor allem wenn es sich doch der EU annähern sollte.

Wien. Wo sich Österreichs Unternehmer im Vorjahr in der Ukraine häufig wiedergefunden haben? Vor Gericht. Von „ziemlich häufigen“ Fällen spricht der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Kiew, Hermann Ortner, im Gespräch mit der „Presse“. Ob Streitfragen bei Zollwertfeststellungen oder etwa in Steuerangelegenheiten: „Wir haben es hier mit überproportional vielen Problemfällen zu tun und sind ständig damit beschäftigt. Es herrscht ein anderes Rechtsverständnis als in der EU.“

Kaum eine andere Gegebenheit könnte die Realität in der Ukraine von Staatspräsident Viktor Janukowitsch, der sich momentan vehementen Massenprotesten ausgesetzt sieht, weil er das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterzeichnet hat, besser erfassen. Kaum ein anderer Umstand besser umreißen, wohin sich das Land bewegt hat. Gewiss, auch während der Zeit der Orangen Revolutionäre war kein stabiler Rechtsstaat etabliert worden.

Mit der Rückkehr Janukowitschs im Jahr 2010 aber kam eine behördliche Willkür und Korruption in Gang, die ihresgleichen sucht. Das schlägt sich auf den ersten Blick mit der mittlerweile besseren Platzierung (von Platz 140 auf 112 von 189 Ländern) auf dem Geschäftsklimaindex „Doing Business“ der Weltbank. Die Detailanalyse aber zeigt, dass sich bei den entscheidenden Punkten wie Investitionssicherheit und Bürokratie im Außenhandel nichts getan hat.

Es muss nicht immer um persönliche Bereicherung gehen, wenn Beamte Firmen drangsalieren. Da der Staat klamm ist, müssen Unternehmer herhalten. Mehrwertsteuern bei Exportgeschäften werden jahrelang nicht rückerstattet, der Zollwert für Waren hinaufgesetzt. Zwar weiß die Außenhandelsstelle nichts von gewaltsamen Übernahmen österreichischer Firmen zu berichten, wie dies dem Schweizer Flughafendienstleister Swissport passiert ist und ukrainischen Firmen ständig widerfährt. Aber jahrelange Gerichtsprozeduren mit einer korrumpierten Justiz sind gang und gäbe geworden.

Boom der Landwirtschaft

Über die Schikanen reden wollen Firmen nicht. Es ist gefährlich für das Geschäft. Bezeichnend, dass eine Hilfsorganisation auspackt. Acht Monate wurde dem Kärntner Andrea Kuchler die Genehmigung für die Einfuhr von Hilfsgütern in die Westukraine verweigert. Dabei lieferte er in zwei Jahrzehnten mit Unterstützung der Stadt Villach 400 Tonnen solcher Güter und erhielt früher die Genehmigungen binnen dreier Tage. Warum alles zu stocken begann? Ein neues Team im Kiewer Sozialministerium schiele wohl auf Bakschisch, wurde Kuchler aus diplomatischen Kreisen bedeutet. Erst Interventionen auf höchster Staatsebene gaben den Weg vor einer Woche frei.

Trotz allem, die Ukraine mit ihren 46 Mio. Einwohnern bleibt ein attraktiver und wenig beackerter Markt. Gerade einmal 100 österreichische Firmen haben Niederlassungen, 20 Firmen produzieren.

Etwa Thomas Brunner. 230 Kilometer südöstlich von Kiew bewirtschaftet der Oberösterreicher 1200 Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Zum Getreideanbau kommt die Schweinezucht. Zwei Mio. Euro Investitionen erbringen heute 2,5Mio. Umsatz pro Jahr. „Die Landwirtschaft erlebte einen Boom und macht Fortschritte“, sagt Brunner. Auch die großen Agrarholdings expandieren aggressiv. Für Neueinsteiger sei es spät. Dazu kommt, dass Investoren aus dem arabischen Raum und China sich um die Böden reißen. Und obwohl die Schwarzerdeböden fruchtbar sind, macht die unsichere Niederschlagssituation zu schaffen.

Auch von bürokratischen Hürden weiß Brunner zu berichten, hat aber gelernt, damit zu leben. Das Assoziierungsabkommen mit der EU würde bessere Perspektiven bieten und Investitionen bringen. „Warum soll sich die Ukraine an Russland orientieren, wo sich doch Russland selbst am Lebensstandard der EU orientiert?“ Viele hatten die Hoffnung, dass die Ukraine das Abkommen unterzeichnet, sagt auch Ortner. Was es bringen würde? „Eine Annäherung an unser Rechtsverständnis.“

AUF EINEN BLICK


Siehe auch Seite 12Die Ukraine unter Viktor Janukowitsch wurde schon vor der politischen Abkehr von der EU für österreichische Unternehmen zu einem harten Pflaster. Behördliche Willkür und Korruption sind an der Tagesordnung, berichten heimische Unternehmer.

Trotz allem bleibt das Land mit seinen 46 Mio. Einwohnern ein attraktiver und wenig beackerter Markt. Gerade einmal 100 österreichische Firmen haben bisher Niederlassungen, 20 produzieren. Vor allem im Agrarbereich gibt es Potenzial.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2013)

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