Wie Quereinsteiger erfolgreich sein können

Zwei Prominente Quereinsteiger: Franz Vranitzky (r.) und Viktor Klima beim
Zwei Prominente Quereinsteiger: Franz Vranitzky (r.) und Viktor Klima beim "Dankefest für Vranitzky" im Kursalon im Jahr 1997..APA
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Zwei brachten es zum Bundeskanzler, einer warf schon nach wenigen Wochen das Handtuch. Politikneulinge in einem Ministeramt müssen vieles gleichzeitig können. Und sie brauchen vor allem gute Mitarbeiter.

Michael Spindelegger beweist Mut: Vier neue Minister beruft er in sein Regierungsteam, gleich drei davon gehören der Kategorie Quereinsteiger an. Nur Außenminister Sebastian Kurz, der als Staatssekretär schon Regierungserfahrung sammeln durfte, kommt aus dem Parteiapparat. Die anderen? Familienministerin Sophie Karmasin ist Meinungsforscherin, Justizminister Wolfgang Brandstetter Uni-Professor und der neue Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter EU-Spitzenbeamter.

Dabei hat gerade die ÖVP mit Quereinsteigern in Regierungsämtern bisher nicht die besten Erfahrungen gemacht. Man denke an die frühere Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky, die mehr mit schrillen Auftritten von sich reden machte als mit politischen Erfolgen. Oder an Claudia Bandion-Ortner, für die der Sprung von der Richterin zur Justizministerin etwas zu groß war. Der letzte ÖVP-Quereinsteiger, Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, hat zwar in der Öffentlichkeit einen guten Eindruck gemacht, nicht aber bei seinem Parteichef. Spindelegger hat ihn jetzt bei erster Gelegenheit wieder abgelöst.

Es gibt aber durchaus auch positive Erfahrungen mit Quereinsteigern – wenn auch in anderen Parteien. Man denke bei der SPÖ an Franz Vranitzky, der als Generaldirektor der Länderbank an die Spitze des Finanzressorts wechselte und bald zum Bundeskanzler aufstieg. Oder an Viktor Klima, der vom OMV-Vorstand in die Regierung wechselte und ebenfalls Bundeskanzler wurde. Helmut Zilk war Journalist, ehe er zum Unterrichtsminister und später zum Wiener Bürgermeister avancierte. Und Claudia Schmied saß im Vorstand der Kommunalkredit. Auch in der SPÖ klappte es allerdings mit Quereinsteigern nicht immer klaglos. Der Steuerberater Andreas Staribacher scheiterte als Finanzminister, der Arzt Michael Ausserwinkler blieb nicht lange in seiner Funktion als Gesundheitsminister.


Ressort im Griff. Auch die FPÖ machte in der Ära von Schwarz-Blau unterschiedliche Erfahrungen mit Politikneulingen in Spitzenpositionen. Am deutlichsten zeigte sich das im Justizressort: Während der Anwalt Michael Krüger schon nach wenigen Wochen das Handtuch warf, hatte sein Nachfolger Dieter Böhmdorfer den Apparat fest im Griff (manche behaupten: im Würgegriff). Und die Dritte in der Reihe, die Kärntner Verwaltungsjuristin Karin Gastinger, machte zur Überraschung vieler ebenfalls keine schlechte Figur.

Wie entscheidet sich, ob ein Newcomer das Amt schafft oder nicht? Und welche Fähigkeiten muss er oder sie mitbringen? Einig sind sich Beobachter, dass fachliche Qualifikationen da nicht im Mittelpunkt stehen. Wesentlich wichtiger: Verständnis für das politische Handwerk, Durchsetzungsfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit. So ist es sicher kein Zufall, dass sich auch bisher schon jene Quereinsteiger leichter getan haben, die irgendwann in ihrer beruflichen Laufbahn schon politische Erfahrungen sammeln konnten. Vranitzky beispielsweise kannte das Geschäft schon von seinem früheren Job im Kabinett von Hannes Androsch. Auch Unterrichtsministerin Claudia Schmied begann im Kabinett von Finanzminister Rudolf Edlinger.

Einen Nachteil haben ja alle, die nicht in einem Parteiapparat groß geworden sind: Ihnen fehlt die Hausmacht in ihrer Partei. Also jene Seilschaften, auf die man sich im Fall des Falles verlassen kann. Und ohne Unterstützung in der eigenen Partei ist es schwierig, politische Vorhaben auch durchzubringen. Josef Kalina, enger Mitarbeiter der früheren Bundeskanzler Viktor Klima und Alfred Gusenbauer, hält nicht nur deshalb politische Erfahrung für einen unschätzbaren Vorteil. „Wenn man die Codes in einer Partei kennt, tappt man nicht in jede Falle und spricht in einer Parteisitzung nicht Dinge an, die seit 30 Jahren aus gutem Grund niemand angesprochen hat.“

Der Kommunikationsberater Daniel Kapp, einst Pressesprecher von Vizekanzler Josef Pröll, sieht eine zentrale Eigenschaft, die ein Neuling mitbringen muss: die Gelassenheit. Gerade in der Anfangsphase würden zahlreiche Menschen auf den neuen Minister zustürmen und ihre personellen wie sachpolitischen Interessen durchbringen wollen. „Da darf man sich nicht beeindrucken lassen.“

Die zweite wichtige Herausforderung laut Kapp: Es müsse rasch gelingen, ein personelles Umfeld aufzubauen, dem man vertrauen kann, weil man von dem dann in den kommenden Jahren abhängig sei. Speziell zwei Schlüsselpositionen müssten mit engen Vertrauten besetzt werden, nämlich der Kabinettschef und der Pressesprecher.

Und noch einen Rat hat Kapp für die Neulinge parat: Die ersten Stunden im Amt müssten gut geplant werden. „Man muss ein klares Bild davon haben, wie man auffallen will.“ Ob man also den ersten Auftritt ruhig und zurückhaltend anlegt oder auffallend, „wovon ich abraten würde“. Auch hier gelte es aber vor allem, Gelassenheit zu wahren.


Schwerer Spagat. Kalina beschreibt die Anforderungen an einen neuen Minister am Beispiel der künftigen Familienministerin Sophie Karmasin, die er in einer schwierigen Position sieht. Sie sei von der ÖVP aufgestellt, um eine Schwachstelle der Partei im urbanen Bereich zu beseitigen: Dem von vielen als verstaubt und antiquiert geltenden Frauenbild soll sie als moderne, berufstätige Mutter entgegengestellt werden. Damit sollen junge, gut gebildete Frauen angesprochen und die Abwanderung dieser Wählerschicht zu Grünen und Neos gestoppt werden.

Ihre Aufgabe sei es, als Role Model einer modernen Frau zu dienen. Ob sie jedoch tatsächlich diesem Bild entspricht, werde von der Öffentlichkeit sofort abgeprüft werden. Kalina: „Wenn ein rustikaler Mann in der ÖVP auftritt und Antiquiertes von sich gibt, muss sie sich entscheiden: Wenn sie ihm die Mauer macht, ist ihre Zielgruppe unzufrieden. Tritt sie aber gegen ihn auf, wird sie die ganze Härte der Partei spüren.“ Ein schwieriger Spagat, der viel diplomatisches Geschick erfordern werde.

Vor einer schwierigen Aufgabe sieht Kalina auch den einzigen Neuzugang im SPÖ-Regierungsteam, die Staatssekretärin Sonja Steßl (die aber nicht ganz unter den Begriff Quereinsteiger fällt, weil sie schon für die SPÖ im Nationalrat saß). „Im Finanzministerium hat sich noch jeder Staatssekretär schwergetan“, weiß Kalina. Als „Aufpasser“ der anderen Regierungspartei sei man darauf angewiesen, welche Informationen man vom Minister bekomme – und wie gut diese erklärt würden.

Daher sei es für Steßl noch wichtiger als für andere Regierungsmitglieder, ein gutes Kabinett aufzubauen: „Sie braucht Leute mit Erfahrung, die mit den Sektionschefs auf Augenhöhe kommunizieren können.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2013)

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