In den geliebten französischen Alpen feierte Marcel Hirscher im Riesentorlauf von Val d'Isère seinen 20. Weltcupsieg. Der ausgefallene Ted Ligety beschäftigt den Salzburger weiter.
Noch vor einer Woche stand Marcel Hirscher ratlos im Zielraum von Beaver Creek. Rang drei im Riesentorlauf konnte ihn damals nicht wirklich zufriedenstellen. Die Überlegenheit von Dauerrivale Ted Ligety schien den Salzburger mental bereits ein klein wenig zu zermürben. Zudem soll Head (Ligety) über das bessere Material als Atomic (Hirscher) verfügen, schnell war von einem Wunderski die Rede.
Samstagnachmittag schienen alle Sorgen des Gesamtweltcupsiegers für einen Augenblick vergessen. Auf einer seiner Lieblingsstrecken im Weltcupzirkus, der Face de Bellevarde, hatte Marcel Hirscher eine Verabredung mit dem Sieg. Auf dem steilen und so anspruchsvollen Hang in Val d'Isère begleiteten den 24-Jährigen positive Erfahrungen aus der Vergangenheit. Bereits 2009 und 2012 war er auf dem eng gesteckten Kurs der schnellste Riesentorläufer gewesen. 2013 sollte sich die Szenerie wiederholen.
Um 0,76 Sekunden distanzierte Hirscher seinen ersten Verfolger, den Franzosen Thomas Fanara. Der drittplatzierte Deutsche Stefan Luitz lag bereits über eine Sekunde zurück. „Es war ein Kampf von oben bis unten, eine gute Fahrt. Saucool, wenn es funktioniert“, grinste der edle Techniker, der auf dem Weg zu seinem 20. Weltcupsieg nicht frei von Fehlern blieb. „Aber wenn es so steil ist wie hier“, sagte er, „kann man auch Fehler machen.“
Gedankenspiele. Die WM-Strecke von 2009 stellt jedes Jahr aufs Neue eine Herausforderung an Material und Athleten dar. Das verneinte Hirscher nicht, aber noch weniger Ted Ligety. Der US-Amerikaner schied im unteren Abschnitt des ersten Laufs aus. Auch der Führende im Gesamtweltcup, der Norweger Aksel Lund Svindal, sah das Ziel nicht. „Wenn es so schwer und eisig ist, musst du noch böser als die Strecke selbst sein“, erklärte der Sieger des Tages, der gewohnt aggressiv zu Werke ging. Der erste Erfolg im Riesentorlauf seit über einem Jahr (Val d'Isère 2012) schmeckte süß, ließ Hirscher sogar die Disziplinenwertung übernehmen, ihn daraus aber nicht ganz schlau werden. „Ich tue mir schwer dabei, einzuschätzen, inwieweit Ligety heute zu schlagen gewesen wäre...“
Am Sonntag bietet sich Hirscher die nächste Chance auf wertvolle Punkte. Im Slalom (9.30h/12.30h, ORF eins) gilt er, anders als im Riesentorlauf, als erklärter Favorit. Bevor der Tross für Abfahrt und Super-G nach Gröden übersiedelt, könnte Hirscher im Gesamtweltcup Svindals Führung übernehmen – es fehlen nur 25 Punkte. Im Lager der Österreicher darf im Slalom auch wieder auf ein besseres Mannschaftsergebnis gehofft werden. Im Riesentorlauf punkteten sonst nur Benjamin Raich (15.) und Philipp Schörghofer (24.).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2013)