Planwirtschaft

Orbáns großes Versagen im Kampf gegen die Inflation

Die Inflation bei Lebensmitteln lag in Ungarn zwischenzeitlich bei 40 Prozent, höher als überall sonst in der EU.
Die Inflation bei Lebensmitteln lag in Ungarn zwischenzeitlich bei 40 Prozent, höher als überall sonst in der EU.APA/AFP/Ferenc Isza
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Ungarns Wirtschaft befindet sich in einer tiefen Krise. Während die Bevölkerung unter der höchsten Inflation im EU-Raum leidet, versucht die Regierung Orbán, von der Misere abzulenken.

Budapest. Seit in Ungarn 2010 Viktor Orbán und seine Partei Fidesz am Ruder sind, ist die ungarische Öffentlichkeit mit zwei Realitäten konfrontiert: einerseits mit jener Parallelwelt, die von der Regierungspropaganda über die gleichgeschalteten Staatsmedien vor­gespiegelt wird. Andererseits mit der gelebten Wirklichkeit, die sich für viele zumeist ganz anders anfühlt. Zuletzt setzte Orbán auf die bewährte Formel „Brot und Spiele“: Während er in einer eigens aus dem Boden gestampften, sündteuren Arena die Leichtathletik-WM veranstalten ließ, fror er in planwirtschaftlicher Manier die Preise für diverse Grundnahrungsmittel ein.

Dennoch: Was den Ungarn seit dem Vorjahr enorm zusetzt, ist die entfesselte Teuerung – im vergangenen Juli lag diese immer noch bei 17,6 Prozent. Zur Erinnerung: 2022 war die Inflation in Ungarn von acht auf 24,5 Prozent hochgeschnellt, über das gesamte Jahr betrachtet lag sie bei 14,5 Prozent, bei Lebensmitteln zwischenzeitlich sogar bei astronomischen 40 Prozent. Während viele Ungarn unter der Last der Teuerung stöhnen und sich darum sorgen, das Auskommen mit dem Nötigsten zu finden, hat die Regierung des rechtspopulistischen Orbán den Schuldigen für die Misere schon früh ausgemacht: die EU.

„Brüssel“ habe mit seinen „kontraproduktiven“ Sanktionen gegen Russland die Büchse der Pandora geöffnet, heißt es aus Regierungskreisen. Vorwürfe, wonach Orbán die meisten Sank­tionen selbst mitgetragen habe und die mit Abstand höchste Inflation innerhalb der EU zum Großteil hausgemacht sei, prallen an der Regierung allesamt ab. Experten weisen indessen darauf hin, dass die Inflation in anderen ehemals kommunistischen Ländern Zentraleuropas weit niedriger sei. Während sie in Ungarn im Juli bei besagten 17,6 Prozent lag, betrug sie in Polen, Tschechien und der Slowakei knapp über zehn Prozent.

Leitzins bei 13 Prozent

Dass die extrem hohe Inflation auch erhebliche Auswirkungen auf die ungarische Wirtschaft hat, kann inzwischen auch nicht mehr von der Hand gewiesen werden. So ist in Ungarn ein massiver Verlust der Kaufkraft zu beobachten. Nicht nur der Umsatz des Kleinhandels ist gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent eingebrochen, auch der ungarische Binnentourismus verzeichnet dieses Jahr massive Einbußen. Ganz zu schweigen vom Treibstoffkonsum, der um mehr als 20 Prozent abgeschmiert ist. Zur Erinnerung: Lange Zeit waren auch die Spritpreise behördlich gedeckelt worden – auf Kosten der Tankstellenbetreiber. Als es jedoch zu Engpässen kam, sah sich die Regierung gezwungen, erneut Marktpreise einzuführen.

Derweil versucht die Ungarische Notenbank (MNB) verzweifelt, die Inflation mit einer radikalen Hochzinspolitik in den Griff zu bekommen. Der ungarische Leitzins liegt heute bei 13 Prozent. Zum Vergleich: Jener der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt bei 4,25 Prozent. Wegen der horrenden Kreditzinsen ist es inzwischen praktisch unmöglich, Darlehen für Investitionen oder Immobilienkäufe aufzunehmen. Das ungarische Wirtschaftswachstum ist infolgedessen bereits im vierten Quartal hintereinander im Minus – mit anderen Worten: Ungarns Wirtschaft befindet sich in einer tiefen Rezession. Mehr noch, das Haushaltsdefizit des Landes wird sich dieses Jahr wohl auf satte 5,5 bis sechs Prozent des BIPs belaufen. Auch wenn es Orbán und seine Regierung nicht wahrhaben wollen: Ungarns Wirtschaft befindet sich in einer schweren Krise.

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