Handelsexperte kritisiert Amazon-Streiks: "Kontraproduktiv"

EPA
  • Drucken

Es sei glaubhaft, dass die Streiks keine Auswirkungen auf den Versand an die Kunden haben, sagt der deutsche Handelsfachmann Heinemann.

Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi mehren sich die Anzeichen, dass etliche Amazon-Kunden Mails bekommen mit Hinweisen auf eine verzögerte Lieferung. "Betroffen sind nach unseren Kenntnissen mehrere Tausend Lieferungen pro Tag", sagte Heiner Reimann von Verdi Hessen. "Wir können und wollen nicht ausschließen, dass dies auch mit den Streiks an Amazon-Standorten in Deutschland zusammenhängt." Amazon widerspricht: "Die Ankündigungen sind nicht auf die Streiks zurückzuführen. Das hat etwas mit der Warenbeschaffung im allgemeinen zu tun, nicht mit der Logistik."

Handelsfachmann Gerrit Heinemann, Professor an der Hochschule Niederrhein, sagte: "Es ist glaubhaft, wenn Amazon mitteilt, dass die Streiks keine Auswirkungen auf den Versand an Kunden haben. Dass in Einzelfällen dennoch Warensendungen nicht rechtzeitig ankommen, ist auch normal. Eine Quote für eine rechtzeitige Lieferung von mehr als 98 Prozent ist erfahrungsgemäß gar nicht möglich." Für Amazon sei es ohnehin leicht gewesen, sich auf die Streiks einzustellen. Gebraucht würden nur mäßig qualifizierte Leiharbeiter. In dieser Saison hat Amazon zu seinen 9000 Mitarbeitern in den acht Lagern bundesweit noch 14000 Aushilfen engagiert.

Mehr Technik, weniger Mitarbeiter

Heinemann kritisierte, die Streiks seien kontraproduktiv: "Langfristig sehe ich durch den Streik zwei Folgen. Erstens: Amazon wird verstärkt auf die drei Lager setzen, die gerade in Polen an der Grenze zu Deutschland gebaut werden. Zweitens: Amazon wird künftig weitgehend automatisierte Lager aufbauen", sagte der Experte. "Dafür wurde vor kurzem mit Kiva Systems eine Firma gekauft, die auf Lager-Roboter spezialisiert ist. In drei Jahren könnten sie wahrscheinlich schon zum Einsatz kommen. Dann braucht Amazon ohnehin nur noch einen Teil seiner Lagerarbeiter. Die Streiks werden diese Entwicklung beschleunigen."

Ziel des Ausstands ist ein Tarifvertrag nach den Bedingungen des Einzel- und Versandhandels. Amazon lehnt dies kategorisch ab und orientiert sich an den günstigeren Konditionen der Logistikbranche.

Amazon-Mitarbeiter gegen Verdi

Unterdessen richtet sich auch Protest von Amazon-Mitarbeitern gegen die Gewerkschaft Verdi. Sie haben nach Angaben des Unternehmens etwa 700 Unterschriften gesammelt und erklären sich damit nicht einverstanden mit den Zielen, Argumenten und Äußerungen von Verdi.

Auch Onlinehandelsexperte Patrick Palombo (Düsseldorf) ist überzeugt, dass Amazon den Streik und die Belastung des Weihnachtsgeschäfts, "abgesehen von einer kleinen Profit-Delle vielleicht", gut überstehen werde. "Amazon hat ausreichend Möglichkeiten, Aufträge an andere Versandlager umzudisponieren." Aber der Branchenriese müsse aufpassen, dass er seine Versprechen einhalte: "Die Kunden sind bereits jetzt verunsichert. Wenn etwas schief geht, bestellen sie beim nächsten Mal woanders."

In Bad Hersfeld und in Leipzig legten Amazon-Beschäftigte am Freitag am fünften Tag in Folge die Arbeit nieder. Insgesamt beteiligten sich am Freitag laut Verdi 1100 Mitarbeiter an den Streiks. Die Gewerkschaft Verdi wolle den Ausstand bei dem Branchenriesen auch im kommenden Jahr fortsetzen, sagte eine Sprecherin.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Leitartikel

Wir sind Amazon

Wer wissen will, wie böse Amazon ist, muss in den Spiegel sehen. Wie die Debatte ausgehen wird, verrät mehr über den Konsumenten als über den Onlinehändler.
Worker collects items to pack into boxes at Amazon's logistics centre in Graben
International

"Diese Arbeit schafft ein normaler Mensch nicht lange"

Ein Exmanager von Amazon und ein Arbeiter über falsche Versprechungen, Dauerüberwachung und den Mut zur Rebellion.
THEMENBILD POST AG-PAKET-BEREICHÒ
Österreich

Post: "Die Kunden werden immer anspruchsvoller"

Mit 429.026 transportierten Päckchen pro Tag bricht die Österreichische Post derzeit alle Rekorde – Onlinehandel sei Dank.
GERMANY LABOR STRIKE
International

Gewerkschaft beendet Streik bei Amazon

Samstag soll der vorerst letzte Tag des Streiks gewesen sein. Das Weihnachtsgeschäft wurde Amazon zufolge nicht beeinträchtigt.
International

Deutschland: Amazon-Streik bis Samstag verlängert

1100 Beschäftigte des Internet-Riesen haben am Mittwoch an zwei Standorten die Arbeit niedergelegt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.