Justizminister Brandstetters Hilfe für einen Gejagten

(c) Die Presse (Stanislav Jenis)
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Der unter Mordverdacht stehende kasachische Ex-Botschafter Rachat Alijew fand in einem Haus des heutigen Justizministers Wolfgang Brandstetter mehr als zwei Jahre lang Zuflucht.

Auf die Frage, ob er den kasachischen Ex-Botschafter Rachat Alijew bei sich zu Hause im niederösterreichischen Eggenburg gemeldet hatte, wollte Justizminister Wolfgang Brandstetter diese Woche in einem Interview mit der „Presse" nichts sagen. Deshalb nicht, „weil es Details eines Mandatsverhältnisses betrifft, das ich früher hatte".
Viel wurde über dieses sensible Thema zuletzt berichtet bzw. spekuliert. Hat Brandstetter seinem damaligen Mandanten Unterschlupf gewährt? Jenem Mann, der mittlerweile im Verdacht steht, an der Folterung und Ermordung zweier kasachischer Bankmanager beteiligt gewesen zu sein?

Tatsache ist, dass laut mehreren der „Presse am Sonntag" vorliegenden Abfragen aus dem zentralen Melderegister Alijew von 3. September 2007 bis 8. September 2009 in einem Haus gemeldet war, das Brandstetter zuzurechnen ist. Genau genommen handelt es sich um eine Liegenschaft im Eigentum einer Gesellschaft, an der Brandstetter beteiligt ist. Das Gebäude befindet sich eben in der Stadtgemeinde Eggenburg im Bezirk Horn (die genaue Adresse ist der „Presse am Sonntag" bekannt).

Der nunmehrige Justizminister stammt aus dieser Gegend und hat selber in Eggenburg einen - separaten - Wohnsitz. Verfehlt sind daher Spekulationen, wonach Alijew und Brandstetter quasi in Wohngemeinschaft zusammengelebt haben sollen. Abgesehen davon, dass Alijew selber nicht ständig in Eggenburg anzutreffen war. Aber dazu später.

Neuer Name nach der Hochzeit. So viel steht fest: Der heutige Justizminister verhalf dem Kasachen, gegen den bis 30. August 2007 wegen erpresserischer Entführung und Geldwäscherei ermittelt worden war, zu einer Wohnmöglichkeit. Gleich vorweg: Die damals eingestellten Erhebungen wurden später wieder aufgenommen.
Besagte Unterstützung seitens des damaligen Alijew-Rechtsvertreters ist auch durch eine Melderegisteranfrage bewiesen, die im November 2009 vom Verfassungsschutz getätigt wurde. Das Papier wurde der „Presse am Sonntag" aus dem Umfeld des Innenressorts zugespielt. In der behördeninternen Anfrage wurde die Suchoption „historisch" aktiviert. Und siehe da: „Brandstetter Wolfgang" scheint als „Unterkunftgeber" für Rachat Alijew auf.

Übrigens: Der 51-jährige Ex-Diplomat trägt mittlerweile den Namen seiner Frau. Die Hochzeit fand unter Personenschutz in Eggenburg statt. Alijew heißt nun eigentlich Shoraz. Dass ebendieser an einer - vereinfacht ausgedrückt - Brandstetter-Adresse gemeldet war, wird auch von Otto Dietrich, einem der aktuellen Alijew-Anwälte, bestätigt. Dietrich findet das absolut in Ordnung: „Auch ich würde, wenn es notwendig ist, einem Mandanten in meinem Wohnhaus eine Meldeadresse zur Verfügung stellen."

Schließlich sei Alijew damals verfolgt und ausspioniert worden. Gemeint ist damit der Umstand, dass zwei österreichische Polizeibeamte damals der kasachischen Führung in die Hände gespielt haben. Die beiden wurden wegen Amtsmissbrauchs verurteilt.

Alijew war einst Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Er war in führender Position in jener Bank („Nurbank") tätig, in der es später zur Verschleppung und Ermordung der eingangs erwähnten Manager kam. Zudem bekleidete er den Posten des Vizegeheimdienstchefs. Als sich Nasarbajew gegen ihn wandte, wurde Alijew zum Gejagten. Seit 2009 lebt der Ex-Botschafter auf Malta.

„Gefälschte Unterlagen". Weil Österreich eine Auslieferung an Kasachstan verweigert (dort wurde Alijew in Abwesenheit bereits zu 40 Jahren Haft verurteilt), muss die Republik selbst ermitteln. In zwei Auslieferungsverfahren war Brandstetter dem Ex-Botschafter juristisch zur Seite gestanden.
Auf die Frage, ob sich der Ex-Botschafter - sollte es zu einer Mordanklage kommen - einem Prozess in Wien stellen würde, sagt Anwalt Dietrich: „Selbstverständlich." Sein Mandant (der alle Vorwürfe bestreitet) sei ja „mit Wissen österreichischer Behörden" auf Malta. Anwalt Manfred Ainedter - auch er vertritt Alijew - bestätigt, dass der Ex-Botschafter nach Wien kommen würde und wendet ein, dass der zuständigen Staatsanwältin immer wieder „gefälschte Unterlagen" vom kasachischen Geheimdienst übermittelt würden.

Aber zurück zu Brandstetter: Hat er als Verteidiger „nur" dafür gesorgt, dass ein gejagter Mandant, für den in Österreich die Unschuldsvermutung gilt, in Sicherheit leben kann? Dies wäre wohl zu kurz gegriffen. Als öffentlich wurde, dass Alijew - frisch ausgestattet mit der Eggenburger Meldeadresse - innerhalb von nur zwei Tagen eine Niederlassungsbewilligung von der Bezirkshauptmannschaft Horn erhalten hatte, veranlasste das Landesgericht Krems Erhebungen. Es ging um die tatsächliche Anwesenheit Alijews in Eggenburg.
Liest man den Erhebungsbericht, der am 12. März 2010 von der Polizeiinspektion Eggenburg abgefasst wurde, so stößt man wiederholt auf den Namen Brandstetter: Dieser habe laut Angaben des Eggenburger Meldeamtes, „den von Alijew unterschriebenen Meldezettel zur Gemeinde" gebracht. Der Beamte M. erklärte laut dem Polizeibericht, dass er Alijew nie persönlich gesehen habe.

Andererseits: Ganz so abwesend kann der Kasache in der Stadtgemeinde auch wieder nicht gewesen sein. Denn da heißt es in dem Bericht (die zugrunde liegenden Erhebungen wurden letztlich eingestellt) auch: „Laut Angaben des Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Brandstetter war Dr. Rachat Alijew in der Zeit von September 2007 bis zum Sommer 2009 intensivst in Eggenburg aufhältig." Brandstetter bemühte sich offenbar darzulegen, dass es sich nicht um eine reine Scheinanmeldung gehandelt habe.

Alijew war „oft im Gasthaus". Weiters habe der Jurist damals bestätigt, bei der schon erwähnten Hochzeit Alijews (im Juni 2009) dabei gewesen zu sein. Und noch eine Information hatte der heutige Justizminister bei seiner damaligen Befragung durch die Eggenburger Polizeiinspektion parat: „Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Brandstetter gab auch an, dass Rachat Alijew [. . .] sich oft im Gasthaus Grasel-Wirtin in Mörtersdorf aufgehalten hat [. . .]."

DER FALL ALIJEW

Rachat Alijew war Kasachstans Botschafter in Österreich und der Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Er steht im Verdacht, an der Verschleppung und Ermordung zweier Bankmanager beteiligt gewesen zu sein. Als sich Nasarbajew gegen ihn wandte, wurde Alijew zum Gejagten. Seit 2009 lebt er auf Malta. Die Ermittlungen in Österreich sind noch nicht abgeschlossen.

("Die Presse am Sonntag", Print-Ausgabe, 22.12.2013)

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