Brandstetter: "Keine parteipolitischen Vorgaben"

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Justizminister Brandstetter will sein Amt nur ausüben, solange er das Vertrauen von SPÖ und ÖVP spürt. Strafmaßnahmen gegen Jugendliche möchte er auf das Nötigste beschränken.

Die Presse: Als Wissenschaftler haben Sie einmal gesagt, man könne das Strafrecht nicht ohne einen Rest an schlechtem Gewissen betreiben. Wie schlecht ist Ihr Gewissen jetzt, da Sie stärker als je zuvor gestaltend auf das Strafrecht einwirken können?

Wolfgang Brandstetter: Das Strafrecht ist immer fordernd. Und es ist auch durchaus bedrückend, wenn man so wie ich oft in Justizanstalten zu tun hatte. Vor allem bei Jugendlichen ist das bedrückend. Es ist mir ein persönliches Anliegen, diese Maßnahmen bei Jugendlichen auf das unbedingt Nötige zu beschränken.

Vor allem Familienrichter warnen, man habe immer größere Probleme mit „Tätern“ unter 14 Jahren, mit denen man rechtlich nichts machen könne. Haben Sie eine Lösung für diese Fälle?

Für mich ist das kein Sanktions-, sondern ein Präventionsproblem. Da will ich mir genau anschauen, ob man bei der Prävention schon alles macht, was man kann.

Sie möchten das Weisungsrecht des Justizministers reformieren. Hat Ihnen Vizekanzler Michael Spindelegger dafür freie Hand gegeben?

Es gab schon bisher keine unberechtigten Weisungen. Ich kann aber hundertmal sagen, es gibt kein Weisungsproblem – es hilft nichts. Es geht um das Vertrauen in die Justiz. Ich muss auch nach außen hin strukturell verkörpern, dass es bei gewissen Einzelverfahren gar nicht möglich ist, als Justizminister in unzulässiger Weise in Einzelverfahren einzugreifen. Aber wie die Reform aussieht, ist eine komplizierte Frage. Denn man muss auf jeden Fall die Fachaufsicht sicherstellen. Wir werden eine Expertengruppe einsetzen.

Aber auch Ihre Amtsvorgänger, zuletzt Beatrix Karl, haben das Weisungsrecht zu Amtsbeginn geprüft. Wird es denn nun mit der Abschaffung wirklich ernst?

Ich kann Ihnen versichern, ich habe keinerlei parteipolitischen Vorgaben. Ich habe von Anfang an gesagt, ich kann dies Funktion nur ausüben, wenn und solange ich das Vertrauen der Regierungsparteien habe.

Und hat Spindelegger Ihnen nun zugesagt, dass Sie das Weisungsrecht reformieren können?

Die Fragestellung beruht auf einem Ansatz, den ich nicht verstehe. Warum sollte ich mit dem Herrn Vizekanzler jetzt über das Weisungsrecht diskutieren?

Weil Sie die Reform ohne ihn nicht umsetzen können.

Jetzt warten wir einmal die Expertengruppe ab. Ich hoffe, dass wir dann Ende 2014 einen Lösungsansatz haben. Ob er dann im Parlament eine Mehrheit findet, kann ich nicht beurteilen.

Sie gehören derselben Verbindung wie Spindelegger an. Säßen Sie hier als Justizminister, wenn Sie nicht beim CV wären? Es gibt eine hohe Dichte an CVern, die durch Spindelegger in Regierungs- oder Parteiämter kamen.

Bei solchen Funktionen geht es nicht um Freundschaft oder Nichtfreundschaft. Wenn Sie mich fragen, wer von den Politikern CVer ist, dann müsste ich nachdenken. Ich war aber gern in der CV-Verbindung Norica. Man konnte mit Gleichgesinnten diskutieren, und es gab soziale Unterstützungen wie einen verbilligten Mittagstisch für Studenten.

Man kann einem Verteidiger nicht seine Klienten vorwerfen. Aber stimmt es, dass Sie Alijew bei Ihnen zu Hause in Eggenburg gemeldet haben?

Ich darf zu früheren Mandaten nichts sagen.


Warum darf man nicht sagen, ob jemand bei Ihnen gemeldet war?

Weil es Details eines Mandatsverhältnisses betrifft, das ich früher hatte.

Ihre Beratung in steuerstrafrechtlichen Fällen in Liechtenstein müssen Sie auch einstellen.

Ja, selbstverständlich. Ich habe in den letzten drei Jahren meine freiberufliche Vertretungstätigkeit drastisch reduziert, weil die Beschäftigung an der WU Wien immer mehr geworden ist.

Um auf die erste Frage zurückzukommen: Hat man ein schlechtes Gewissen, wenn man Steuerbetrügern hilft?

Die Frage ist falsch gestellt. Die Tätigkeit war eine Beratungstätigkeit für eine Rechtsanwaltskanzlei in Liechtenstein. Da ging es um Strafverteidigungsfälle und um Compliance- und Präventionsfälle. Es ging mit Sicherheit nie darum, irgendwelchen Leuten bei irgendwelchen Steuerbetrügereien zu helfen. Es konnte wie in jeder renommierten Anwaltskanzlei nur darum gehen, eine normale Verteidigertätigkeit in Verfahren wegen Steuerbetrugs zu erbringen. Ich habe alle Mandate zurückgelegt, aber das war nichts, wofür man sich genieren müsste. Das war eine normale rechtsstaatliche Tätigkeit.

Haben Sie außer der verstärkten Ausbildung für Staatsanwälte und Richter noch weitere Ideen, wie die Strafverfolgung in Wirtschaftssachen verbessert werden kann?

Wir sind dabei, einige Dinge anzudenken, wie man einen Beschleunigungseffekt erzielen könnte. Aber das ist eine breite Palette von Möglichkeiten. Es wäre zu früh, sich auf etwas Konkretes festzulegen. Aber davon können Sie ausgehen: Die Verfahrensbeschleunigung ist ein dringendes Gebot.

Es steht 40 Jahre nach Einführung des Strafgesetzbuchs 1975 eine große Strafrechtsreform im Raum. Können Sie sich vorstellen, entgegen den Tendenzen bei den letzten Reformen da oder dort Strafdrohungen zurückzunehmen?

So verengt formuliert bin ich auch mit dieser Fragestellung nicht einverstanden. Im Zuge des Grundsatzes Prävention statt Repression mag vielleicht das eine oder andere möglich sein, was man als Entlastung im Strafenbereich empfinden kann. Die Harmonisierung der Strafdrohungen gehört zu den vielen, vielen Dingen, die ich mir jetzt im Detail über Weihnachten anschauen muss.

ZUR PERSON

Wolfgang Brandstetter, 1957 in Haag geboren, hat sich 1991 an der Uni Wien im Strafrecht habilitiert. Zuletzt stand er dem Institut für Wirtschaftsstrafrecht an der WU Wien vor. Er fungierte auch als Verteidiger, unter anderem im Bawag-Verfahren und für Kanzler Faymann (Inseratenaffäre). Er ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2013)

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