Die Millionärssteuer gibt es schon, und zwar auch für Nichtmillionäre

Alle Sparer werden in den Tagen nach Silvester feststellen müssen: Österreich hat schon längst eine Vermögensteuer, die ihre Ersparnisse langsam, aber sicher frisst.

Die ÖVP, so prahlte jüngst Christoph Leitl, Chef des schwarzen Wirtschaftsbundes, habe „einen zwei Jahre dauernden Kampf gegen Vermögensteuern erfolgreich beendet“. Das werden alle österreichischen Sparer, wenn sie Anfang 2014 mithilfe eines starken Mikroskops die Höhe der ihnen gutgeschriebenen Zinsen melancholisch betrachten – mit freiem Auge sind die Zinsen ja kaum noch wahrnehmbar –, möglicherweise anders sehen.

Auch ohne abgeschlossenes Mathematik-Studium kann jeder Sparer relativ einfach ausrechnen, dass ihm angesichts einer Inflation von offiziell knapp unter zwei Prozent, realistisch betrachtet aber eher drei bis vier Prozent, und vielleicht einem Prozent Zinsen auf das Ersparte, die auch noch mit 25 Prozent zu versteuern sind, unter dem Strich ein Verlust von jedenfalls ein bis zwei Prozent bleibt.

Nachdem dieser beklagenswerte Zustand schon einige Jahre andauert und wohl auch noch weitere Jahre anhalten wird, bedeutet das eine Enteignung der Sparer, die sich gewaschen hat. Im Ökonomen-Kauderwelsch zur Verschleierung unangenehmer Tatsachen nennt man das „Financial Repression“. Tatsächlich handelt es sich aber natürlich um eine Vermögensteuer in Höhe von ein bis zwei Prozent pro Jahr, die halt einfach nicht so heißt. Da kommt über die Jahre einiges zusammen an Schwund des mühsam Ersparten.

Jene Abgabe auf Vermögen, die die SPÖ unter dem populistischen Begriff „Millionärssteuer“ vergeblich gefordert hatte, gibt es also schon längst. Und sie schlägt wesentlich brutaler zu, als es die SPÖ je zu formulieren gewagt hat. Denn während die Sozialdemokraten wenigstens einen Freibetrag von einer Million Euro zugestanden hätten, enteignet die als Financial Repression getarnte Vermögensteuer auch jeden Pensionisten, der sich ein paar tausend Euro fürs eigene Begräbnis auf die hohe Kante gelegt hat.

Deshalb hat die ÖVP leider nicht „den Kampf gegen die Vermögensteuern erfolgreich beendet“ – sie hat bestenfalls die Einführung einer zweiten, zusätzlichen Vermögensabgabe verhindert. Den Kampf gegen die Financial Repression hingegen hat sie – als die immerhin den Finanzminister stellende Partei – nie aufgenommen. Das könnte auch daran liegen, dass der Finanzminister – wie bei jeder offen ausgewiesenen Steuer – Nutznießer dieser Ausplünderung der Sparer ist. Denn als größter Schuldner weit und breit profitiert die Republik kolossal von den absurd niedrigen Zinsen und erspart sich Milliarden an Euros, die im Gegenzug auf den Sparbüchern fehlen.

Eine Abzocke der besonders unerfreulichen Art also, die noch dazu krass unsozial ist. Denn die Reichen parken ihr Vermögen in der Regel nicht auf dem Sparbuch der Sparkasse ums Eck, sondern in Immobilien, Aktien und anderen Beteiligungen. Ihnen kann diese Form der verdeckten Vermögensteuern mehr oder weniger egal sein. Die im sozialen Souterrain Angesiedelten hingegen trifft diese Vermögensteuer voll. Wer bloß ein paar tausend Euro erspart hat, wird damit wohl eher nicht den Immobilienmarkt aufmischen, sondern seinen Notgroschen dort bunkern, wo Zinsen so üppig ausfallen wie Regen in der Sahelzone.

Europas Notenbank EZB hält die Zinsen im augenzwinkernden Einverständnis mit den Regierungen so ungesund niedrig, was aber auch andere Kollateralschäden zur Folge hat. Wenn Geld fast umsonst zu haben ist, können auch Unternehmen, die sonst nicht überlebensfähig wären, noch eine Zeit lang weiterwurschteln – und damit ihren tüchtigeren Mitbewerbern das Leben unnötig erschweren.

Das Gleiche gilt auch für Staaten: Wenn Geld so billig ist, sinkt natürlich der Druck auf die Regierungen, mit diesem knappen Gut sorgsamer umzugehen. Gleich, ob Bürger, Unternehmen oder Staaten: Begünstigt werden diejenigen, die schlecht wirtschaften, belohnt hingegen jene, die sparsam, tüchtig und effizient wirtschaften. Kein Wunder, dass Finanzminister diesen Zustand lieben.

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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2013)

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