Auslandsbanken flüchten aus Ungarn

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Nach Raiffeisen prüfen drei weitere Großbanken den Rückzug aus Ungarn. Damit dürfte Premierminister Viktor Orbán sein Ziel, den Finanzsektor zu nationalisieren, erreichen.

Wien/Budapest. Ungarns Premierminister Viktor Orbán hat es geschafft: Durch Sondersteuern und weitere Belastungen vertreibt er immer mehr ausländische Banken. Nun verdichten sich die Hinweise auf den Rückzug der Raiffeisen Bank International (RBI). Die teilstaatliche ungarische Szecheny Commercial Bank hat ein Kaufangebot für die Budapester RBI-Tochter gelegt. Eine Raiffeisen-Sprecherin kommentierte dies auf „Presse“-Anfrage nicht. Doch bereits im November 2013 hatten die Giebelkreuzer erklärt, dass das Geschäft in Ungarn, in der Ukraine und in Slowenien auf dem Prüfstand stehe.

Der ungarische Nationalbankchef György Matolcsy gießt zusätzliches Öl ins Feuer. Er ist ein Vertrauter Orbáns und erklärte im Fernsehen, dass „bis zu vier große Banken aus Ungarn verschwinden“ werden. Um welche Institute es geht, sagte Matolcsy nicht. Doch fix ist, dass die Bayerische Landesbank (BayernLB) einen Käufer für ihre Budapester Tochter sucht. Ungarischen Zeitungen zufolge dürften neben der Budapester Raiffeisenbank mittelfristig auch die Budapest Bank (gehört dem US-Konzern General Electric) und die K&H Bank (befindet sich im Eigentum der belgischen KBC) zum Verkauf stehen. Beschleunigt werden soll die Konsolidierung durch ein neues Bankengesetz, das die ungarische Regierung noch im Frühjahr 2014 verabschieden will.

„Ungesunde“ Auslandsbanken

Der Rückzug der ausländischen Banken ist von Orbán gewollt. Sein Ziel ist es, dass sich der ungarische Finanzsektor künftig „mindestens zu 50 Prozent“ in inländischer Hand befindet. Denn der hohe Anteil der ausländischen Institute sei ungesund.

Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes kauften sich ausländische Banken – darunter viele österreichische Institute – in Ungarn ein. Vor der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2007 wurde der ungarische Finanzsektor zu 80 Prozent von Ausländern kontrolliert. Mittlerweile ist der Anteil auf 58 Prozent gesunken. Ziehen sich nun vier weitere ausländische Institute zurück – wie es die Nationalbank in Budapest ankündigte –, hat Orban sein Ziel erreicht. Damit kein Vakuum entsteht, sollen die ungarischen Banken das Geschäft der Ausländer übernehmen. Und das zu einem möglichst niedrigen Preis.

Denn die meisten ausländischen Banken schreiben in Ungarn hohe Verluste. Grund ist ein Gesetz, wonach Privatpersonen ihre Fremdwährungskredite zu einem günstigen Kurs in Forint umtauschen konnten. Die Kosten dafür müssen die Banken tragen.

Außerdem führte die Regierung eine Sondersteuer für die Finanzkonzerne ein. Gemessen an der Bilanzsumme ist es die höchste Bankenabgabe der Welt.

Hohe Verluste in Ungarn

Die Budapester Tochter der Erste Bank setzte 2011 und 2012 in Summe 621 Millionen Euro in den Sand. Hinzu kommt noch ein Verlust von über 100 Millionen Euro, der in den ersten neun Monaten 2013 angefallen ist.

Bei Raiffeisen lag das Minus bei über 400 Millionen Euro. Eine rasche Erholung ist nicht in Sicht. Die Bawag hat sich bereits aus Ungarn verabschiedet.

In Ungarn wird Orbán von der Bevölkerung wegen der harten Linie gegen die Banken wie ein Held gefeiert. Voraussichtlich im April 2014 wird in Ungarn ein neues Parlament gewählt. Die Fremdwährungskredite und das Verhalten der Banken zählen zu den Hauptthemen im Wahlkampf. Anders als Raiffeisen hält die Erste Bank aber an ihrer Ungarn-Tochter fest. „Ein Verkauf ist nicht geplant“, versicherte eine Erste-Bank-Sprecherin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2014)

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