SPÖ-Klubklausur: Ein EU-Wahlkampf um 3000 Euro

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Die „Fehlleistung“ von Spitzenkandidat Eugen Freund, was ein Arbeiter verdient, überschattet den Start zur Europawahl und vermasselt Faymanns EU-Kursbestimmung.

Frauenkirchen. Eugen Freunds Band über „Brennpunkte der Weltpolitik“ liegt neben der Lektüre für rote Hardcorefans, „Sozialdemokratie in Österreich“. Beide Werke finden sich auf dem Büchertisch, wie sein aktueller Kärnten-Krimi, „Der Tod des Landeshauptmannes“. Das Interesse am Rande der SPÖ-Klubtagung in der St.-Martins-Therme im burgenländischen Seewinkel gilt jedoch eindeutig nicht den schriftstellerischen Aktivitäten Freunds, sondern einer Wissenslücke des Journalisten, der seit der Vorwoche Spitzenkandidat bei der EU-Wahl ist. Vielmehr hat er wegen der Aussage, das durchschnittliche Arbeitereinkommen liege bei 3000 Euro monatlich (tatsächlich sind es unter 2000 Euro), Häme von politischen Gegnern einstecken müssen.

>> Wird Eugen Freund der SPÖ Stimmen bringen?

Die Klausur des SPÖ-Parlamentsklubs mit Obmann Andreas Schieder sollte zwar Bühne für „ein gerechtes Europa“ und den inoffiziellen EU-Wahlkampfauftakt sein. Allerdings waren die Arbeiterlöhne unfreiwillig in den Mittelpunkt gerückt. Zumindest wird die SPÖ um 3000 Euro nie mehr so günstig einen Wahlkampfstart bekommen. Wähler, die Freund noch nicht aus dem ORF gekannt haben, wissen vermutlich jetzt, dass er die SPÖ in die Europawahl am 25. Mai führt.

„Herz auf der richtigen Seite“

Am ersten von zwei Klausurtagen in der Therme in den pannonischen Weiten nahe der Heimatstadt von SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl spielt das rote Parteiestablishment den Lapsus herunter. Eine „Fehlleistung“, mit der er kein Problem habe, solange sie nicht zwei-, dreimal passiere, bedauert Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Der Chef der roten Gewerkschafter, Wolfgang Katzian, rechtfertigt die „unglückliche Aussage“ ähnlich: „Am Anfang kann ein Fehler passieren.“ Freund solle ja nicht Chef der Statistik Austria werden, scherzt Schieder.

An der Basis sei die Aussage problematisch, wird in den SPÖ-Abgeordnetenreihen geraunt. Schließlich tönt es im Einleitungsvideo zum 125-Jahr-Jubiläum der SPÖ großspurig: „Wir sind die Lobbyisten der Arbeitnehmer.“ Bundeskanzler Werner Faymann erinnert, dass auch Bruno Kreisky Millionen und Milliarden durcheinandergebracht habe. „Das Herz schlägt auf der richtigen Seite“, lobt der SPÖ-Chef den quereingestiegenen Spitzenkandidaten: „Lieber Eugen Freund, wir stehen hinter Dir!“

Freund geht zu Beginn seines Auftritts wegen des Patzers in die Offensive, er wisse seit ein paar Tagen, dass der Umstieg in die Politik nicht leicht sei. Nicht mit allen der vielen Interviews der vergangenen Tage sei er zufrieden: „Es kann auch einmal nicht funktionieren.“

Sein Schnitzer drängt eine an diesem diesigen Jännertag bemerkenswerte Rede Faymanns in den Hintergrund. Darin zieht der SPÖ-Chef Vergleiche zu einem Arzt oder einem Spital, die auch manchmal zu spät eingreifen würden. Dennoch brauche es die Sozialdemokratie „gegen die Logik der Spekulanten“ und für Gerechtigkeit weiter in Europa: „Nur die Dümmsten würden ein Spital zusperren.“

Den – freiheitlichen – Attacken im Wahlkampf („ein paar Scharlatane gibt es auch in Österreich, die die Europäische Union zerstören wollen“) begegnet er schon im Vorhinein mit einem ausdrücklichen Bekenntnis zum europäischen Schutzschirm für Griechenland. Sonst gäbe es noch viel schlimmere Folgen mit massenweiser Armut.
„Der Sozialstaat ist das Kapital der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, setzt Faymann später nach. Dieser müsse allerdings „effizient, finanzierbar und leistbar“ sein: „Diese Art von Sozialstaat verteidigen wir.“ 125 Jahre nach der SPÖ-Gründung in Hainfeld bringt es Klubchef Schieder auf die einprägsame Formel: „Wir brauchen heute einen globalen Victor Adler.“

Ansonst gehören Appelle zum Miteinander schon zum Standardprogramm derartiger Klubtagungen. Niessl beschwört „Geschlossenheit“, Faymann mahnt vor der EU- und der Arbeiterkammerwahl, dem Gegner nicht die Freude zu machen, „ein zerstrittener Haufen zu sein“.

Subtile Spitze gegen Prammer

Aber eine Spitze gegen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ), die den Bundesrat abschaffen will, kann sich auch der Bundeskanzler nicht verkneifen. Er begrüßt ausdrücklich auch die roten Bundesräte bei der SPÖ-Klubklausur – und erntet Applaus als Dank.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2014)

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