Konzerthaus: Die ewig jungen Triller der Edita Gruberova

Edita Gruberova, Konzerthaus
Edita Gruberova, Konzerthaus(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Das Koloraturwunder demonstrierte mit Mozart-Arien wieder einmal seinen Ausnahmestatus. Demnächst feiert Gruberova ihr 45-Jahr-Bühnenjubiläum.

Sie ist natürlich ein Phänomen. Ein künstlerisches und ein physiologisches, denn eine Koloratursopranistin, die demnächst ihr 45-Jahr-Bühnenjubiläum feiert und immer noch eine Koloratursopranistin ist – dergleichen hat die Welt wohl noch nie gesehen. Und gehört. Gewöhnlich werden Stimmen mit der Zeit ja schwerer, breiter, behäbiger. Irgendwann kommt die Leichtigkeit für Koloraturen in astronomischen Höhen abhanden, man wechselt ins lyrische, dann vielleicht sogar ins dramatischere Fach.

Edita Gruberovas Stimme fühlt sich nach wie vor in den höchsten Höhen am wohlsten, nimmt in der Region ums hohe C silbrigen Glanz an und gewinnt dort auch das satteste Volumen. Das war immer schon so. Treue Musikfreunde, wie sie sich am Dienstagabend im Konzerthaus zum Mozart-Recital der Sängerin versammelten, erinnern sich an die – um Wedekind zu verfremden – graziöseste Luftgymnastik einer Rosina in Rossinis „Barbier von Sevilla“ und vielleicht sogar die jubilierenden Töne im Gloria von Haydns „Nelsonmesse“, die eine junge Dame aus Pressburg zum Besten gab.

„Rosenarie“ eines kleinen Mädchens

Das war in den frühen Siebzigerjahren. Dann kam mit der Zerbinetta in Karl Böhms „Ariadne“-Premiere von 1976 der Weltruhm. Und 2014 steht der Star Gruberova auf dem Konzerthauspodium, singt die „Rosenarie“ aus dem „Figaro“, und man meint, aus Versehen sei heute nicht Susanna, sondern die kleine Barbarina damit an der Reihe. Welche Koketterie der Artikulation. Und Leichtigkeit, Helligkeit des Timbres sind der Stimme erhalten geblieben. Dramatisch expressive Elemente in den großen Arien der Donna Anna („Don Giovanni“) oder der Fiordiligi („Così fan tutte“) empfindet man nach wie vor beinahe als unangemessene Anforderung, die Sicherheit in der Stimmführung in Konstanzes „Marternarie“ („Entführung aus dem Serail“) hingegen als offenbar naturgegebenes Geschenk; bei aller Freizügigkeit, die sich eine Primadonna gegenüber der notierten Linienführung mittlerweile nehmen darf. Sie hat ja über Jahrzehnte bewiesen, wie akribisch sie im entscheidenden Moment zu sein vermag.

Phänomenal, dass der Atem der Gruberova nach wie vor reicht, um zwei Phrasen nahtlos miteinander zu verschmelzen. Immer noch stupend der lerchengleiche Triller. Sie ist die Gruberova, man kann sie bis heute nur mit sich selbst vergleichen – und sie setzt post festum, als Zugabe, zu einer Wahnsinnsarie der Elektra (aus dem „Idomeneo“) an, die auch jenen Hörern, die das Stück gar nicht erkennen und nicht wissen, worum es geht, angst und bang macht.

Dass man an diesem Abend manch extremer Mozart'scher Kraftanforderung vielleicht nicht ganz gerecht werden würde, war von Beginn an klar, denn das begleitende Münchner Kammerochester rückte unter Douglas Boyd in Miniaturgröße an, die angesichts des großen Konzerthaussaals an Schrammelquartett-Dimensionen erinnerte. Doch ließen die Holzbläser höchst agile Töne hören, die an Virtuosität (nehmen wir nur das Fagott in der rasant genommenen „Così“-Ouvertüre!) der vokalen Vorgabe kaum nachstanden.

Der Jubel war am Ende so heftig wie erwartet – immerhin reichte die Spannweite des Demonstrierten ja bis hinab zu den aberwitzigen Anforderungen, wie sie die spätbarocke Da-Capo-Arienkunst (in „Mitridate, re di Ponto“ des 14-jährigen Mozart) den bewunderten Kastraten abverlangte, also zu den eigentlichen Wurzeln jeglicher vokaler Drahtseilartistik. Staunenerregend. Immer noch. Und jetzt erst recht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2014)

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