Ezra Klein geht: „Washington Post“ verliert Jungstar

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Der einflussreiche Politikjournalist holte sich mit der Forderung nach einem teuren Digitalprojekt eine Abfuhr bei "Post"-Eigentümer Jeff Bezos.

Nach der „New York Times“ verliert nun auch die „Washington Post“ ihren größten Hoffnungsträger für den Wandel im digitalen Zeitalter. Ezra Klein, Erfinder und Chef des politischen Weblogs „Wonkblog“, verlässt die „Post“ nach fünf Jahren, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Der Abgang hatte sich seit einigen Wochen abgezeichnet. Klein, der 2009 als junger Blogger zur „Post“ gestoßen war und dort einen kometenhaften Aufstieg zu einem der meistgelesenen amerikanischen Journalisten hingelegt hatte, wollte sich und seine Marke stärker als bisher positionieren. Einem Bericht von „Politico“ folgend soll er den „Post“-Eigentümer Jeff Bezos um ein Budget von mehr als zehn Millionen Dollar und drei Dutzend Mitarbeiter für eine erweiterte Version des „Wonkblog“ gebeten haben. Bezos, der Gründer und Chef des Internet-Versandhändlers Amazon, der die „Post“ im Vorjahr um 250 Millionen Dollar gekauft hat, habe dies mehrfach abgelehnt.

Schon im Juli 2013 hatte die „New York Times“ auf ähnliche Weise einen ihrer Digitaltrümpfe verloren. Nate Silver, der die Resultate sämtlicher 50 Bundesstaaten bei der Präsidentschaftswahl 2012 korrekt prognostiziert hatte, holte sich mit seinem Bestreben nach einer prominenteren Rolle in der „Times“ eine Abfuhr. Er übersiedelte seinen daten- und statistikgesteuerten Blog „FiveThirtyEight“ zum Sportsender ESPN, wo er ein üppiges Budget bekommt.

Keckes Wunderkind

Die „Post“ war nun ebenso nicht willens, die Marke eines Jungstars, die sie wesentlich mit aufgebaut hatte, noch stärker als bisher außerhalb der Redaktion zu fördern. Klein, der im Mai 30 wird, durfte dank einer Sonderregelung Kolumnen für „Bloomberg View“ und den „New Yorker“ schreiben und regelmäßig beim Kabelsender MSNBC als Kommentator auftreten.

Die „Post“ verabschiedet Klein in einer Aussendung mit kaum verhohlener Bitternis: „Als Ezra 2009 zu uns stieß, war er ein Wunderkind-Blogger mit keckem Selbstbewusstsein und dem brennenden Verlangen, eine Kolumne in der gedruckten Zeitung zu schreiben. Jetzt, da er uns verlässt, ist er noch immer ein keckes Wunderkind, aber sein brennendes Verlangen hat einen größeren Maßstab.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2014)

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