Nach der "authentischen Interpretation" des Tabakgesetzes geht die "Schutzgemeinschaft für Nichtraucher" auf die Barrikaden.
"Eine höchstgerichtliche Entscheidung nicht zur Kenntnis zu nehmen, ist beispiellos in Österreich." Mit diesen Worten übte der Bundesleiter der Schutzgemeinschaft für Nichtraucher, Robert Rockenbauer, am Donnerstag Kritik am Verfassungsausschuss des Nationalrats, der die "authentische Interpretation" des Tabakgesetzes beschlossen hat.
Der Verfassungsausschuss reagierte damit auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, wonach es Nichtrauchern nicht zumutbar ist, auf dem Weg zur Toilette oder zum Hauptraum eines Lokals den Raucherbereich zu durchqueren. Hintergrund ist der Umstand, dass Gastronomen nach der Einführung des Tabakgesetzes 2009 in Umbauten investiert haben, um Raucher- und Nichtraucherbereiche zu trennen.
Um den Anforderungen des VwGH-Erkenntnisses zu genügen, wären in zahlreichen Fällen weitere Veränderungen notwendig. Die Wirtschaftskammer beschuldigte der Leiter der Nichtraucher-Schutzgemeinschaft, die Rechtslage falsch beurteilt zu haben.
"Kein risikofreies Passivrauchen"
"Es gibt kein risikofreies Passivrauchen", erklärte Rockenbauer bei einer Pressekonferenz in Wien und nannte Folgeerkrankungen wie Tumore sowie Herz- und Lungenleiden. Umwelthygieniker Manfred Neunberger untermauerte die Argumentation mit Studienergebnissen, wonach in Ländern mit absolutem Rauchverbot in der Gastronomie die Herzinfarktrate gesunken ist - laut Rockenbauer um zehn bis 20 Prozent.
Die Zustimmung der Bevölkerung zu der rigorosen Maßnahme habe nach deren Einführung zugenommen, sagte Neuberger. Als positive Beispiele führte der Mediziner unter anderem Irland, Norwegen und Italien an. Er äußerte die Befürchtung, dass Österreich seinen Ruf als "Aschenbecher der EU" nicht so schnell los werde. Bei heimischen Politikern ortet er nicht nur Gleichgültigkeit gegenüber Passivrauchern. Er vermutet auch Korruption und eine Manipulation der öffentlichen Meinung.
"Mutlosigkeit" der Politik
Von "Mutlosigkeit" der Politik sprach Otto Spranger von der Österreichischen Lungenunion, nach dessen Angaben es in Österreich 500.000 bis 600.000 Asthmatiker gibt, die besonders unter Passivrauch zu leiden haben. "Auf der einen Seite gibt es das Jammern über steigende Gesundheitskosten. Gleichzeitig sind Rauch-assoziierte Erkrankungen im Steigen", sagte Spranger.
Reinhard Kürsten, HNO-Facharzt, kritisierte fehlendes Engagement der Arbeitnehmer-Vertreter, namentlich Rudolf Kaske, Arbeiterkammer-Präsident und einst Gastgewerbe-Gewerkschaft: "Er legt die Hände in den Schoß und lässt die Angestellten in der Gastronomie im Rauch stehen."
(APA)