Snowden: "Ich würde keinen fairen Prozess bekommen"

Edward Snowden
Edward Snowden(c) imago/ITAR-TASS
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Der Aufdecker schließt eine Rückkehr in die USA aus. US-Justizminister Holder lehnt eine Amnestie ab, gibt sich aber gesprächsbereit.

Wien/Washington/Moskau. Es sind ganz ähnliche Worte, die NSA-Aufdecker Edward Snowden und US-Justizminister Eric Holder gebrauchten: Beide sprachen sie in der Nacht auf Freitag vom Zur-Rechenschaft-Ziehen. Während aber Snowden, der sich Fragen in einem Onlinechat stellte, von den „bisher nicht zur Rechenschaft gezogenen ranghohen Beamten“ sprach, die für die von ihm aufgedeckten, „verfassungswidrigen“ Massenspähprogramme verantwortlich seien, wollte Holder im Interview mit dem Sender MSNBC jemand ganz anderen vor dem Kadi sehen: den Whistleblower Snowden selbst.

Den wollte er freilich nicht als Whistleblower bezeichnen. „Angeklagter würde es besser treffen“, meinte der Justizminister. „Er hat das Gesetz gebrochen, er hat unserer nationalen Sicherheit geschadet.“ Sollte Snowden in die USA zurückkehren, schloss Holder eine Amnestie für den Ex-NSA-Mitarbeiter aus, dies ginge zu weit. Gleichwohl zeigte er sich offen für einen Deal mit Snowdens Anwälten, ohne freilich zu präzisieren, wie ein solcher aussehen könnte.

Der Gesuchte, den die US-Justiz wegen Geheimnisverrats belangen will, meinte in dem Onlinechat selbst, dass seine Rückkehr in die USA für alle Beteiligten grundsätzlich die beste Lösung wäre. Konjunktiv. Denn gleichzeitig machte er deutlich, dass dies „unglücklicherweise“ nicht möglich sei angesichts der gegenwärtigen Gesetze zum Schutz von Informanten. Vertragsmitarbeiter aus dem Sicherheitsbereich, wie er einer gewesen sei (Snowden hatte für eine Sicherheitsfirma gearbeitet, die Aufträge für die NSA erledigte), würden von diesem Regelwerk nämlich nicht abgedeckt: „Deshalb habe ich keine Chance auf einen fairen Prozess und kann mich keinem Gericht stellen.“

Russland verlängerte Asyl

Edward Snowden dürfte also bis auf Weiteres in Russland bleiben, wo er sich im Juni 2013 aus China kommend abgesetzt hatte. Gerade am Freitag hat die Duma, das russische Parlament, angekündigt, dem Gesuchten auch weiterhin Asyl gewähren und ihn nicht an die USA ausliefern zu wollen (zwischen den beiden Staaten gibt es kein Auslieferungsabkommen).

Der Ex-NSA-Mitarbeiter machte deutlich, dass er Spionage keineswegs für etwas Schlechtes halte, und äußerte sich auch positiv über die Leute, die er während seiner Tätigkeit für den Geheimdienst kennengelernt hatte: „Diese Typen sind in Ordnung, sie versuchen, das Richtige zu tun, und ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass sie sich über die selben Dinge sorgen machten wie ich.“

Was er allerdings anprangert – und dieser Praxis habe er nach eigenen Worten nicht tatenlos zusehen können –, ist die massenhafte, anlasslose Speicherung von Daten: „Wenn wir es schaffen, jedes beliebige Gerät auf der Welt zu knacken, inklusive Angela Merkels Handy, wenn man den Berichten glaubt, gibt es wirklich keine Rechtfertigung dafür, unsere Zeit damit zu verschwenden, die Telefondaten einer Oma in Missouri aufzuzeichnen.“ Zahlreiche Studien zeigten, dass sich das menschliche Verhalten angesichts der Überwachung verändere, meinte Snowden: „Wir benehmen uns weniger frei, was bedeutet, dass wir im Endeffekt auch weniger frei sind.“

Ganz ähnlich drückte es übrigens Deutschlands Bundespräsident Joachim Gauck im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen“ aus: „Auch wenn man den Geheimdienst eines demokratischen Staates nicht mit der Stasi gleichsetzen kann, so ist es doch inakzeptabel, dass Millionen von Bürgern anfangen, sich am Telefon ähnlich zu verhalten, wie wir das früher in der DDR getan haben.“ (hd)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2014)

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