Marcel Hirscher: Opfer der eigenen Philosophie

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Slalomweltmeister Marcel Hirscher spuckte in Kitzbühel nach dem Ausfall Gift und Galle. Auf Taktik pfeift er – auch in Sotschi will er voll angreifen.

Dass sich ehrgeizige Spitzensportler so richtig ärgern können, das ist nichts Außergewöhnliches. Oft passiert, oft erlebt. Marcel Hirscher aber hätte so manchen Reporter am liebsten verflucht. „Was passiert ist? Einfädeln nennt man das. Einfädeln!“ Der Salzburger kochte innerlich, er ärgerte sich grün und blau. „Warum ausgerechnet in Kitzbühel? Das ist es, was mir am Arsch geht.“ Er, das Muster an Beständigkeit, hat – den Sieg auf dem Ganslernhang vor Augen – eingefädelt. Er hätte seinen Triumph vom Vorjahr gern wiederholt, „es hat nicht sein wollen“.

Marcel Hirscher ist kein Taktierer, er zählt zu jenen Athleten, die immer alles auf eine Karte setzen. Weniger wäre im Schneetreiben von Kitzbühel vielleicht mehr gewesen, aber das entspricht nicht der Philosophie des 24-Jährigen. „Mir geht das am Keks, weil ich sauschnell war“, so der Salzburger und schüttelte wegen sich selbst den Kopf. Wie oft ihm so ein Missgeschick im Training unterlaufe? „Das ist es ja: So gut wie nie.“ Und es ward der Beweis erbracht, dass auch ein Hirscher keine alpine Maschine ist. „Das habe ich immer gesagt. Erfolge sind keine Selbstverständlichkeit.“ Der Weltmeister bedauerte auch, die Siegerehrung in der dunklen Nacht verpasst zu haben. Normalerweise wedeln die Slalomartisten am Sonntag, runden die Hahnenkamm-Woche somit ab.

In den Genuss des Jubelbades ist Felix Neureuther gekommen. Zum zweiten Mal nach 2010. „Damals war's eher ein Zufallsprodukt“, sagt der 29-Jährige aus Bayern. „Diesmal eben nicht.“ Mit dem achten Weltcupsieg ist er nun dem deutschen Rekordler Markus Wasmeier dicht auf den Fersen. „In Kitzbühel zu gewinnen ist immer etwas Spezielles. Es ist der größte Klassiker, den man gewinnen kann. Das hat so einen Mythos, ist so etwas Spezielles. Ich habe probiert, locker zu bleiben, der Druck wird ja nicht kleiner. Ich bin extrem happy, wie es gelaufen ist. Ich bin taktisch ein extrem cleveres Rennen gefahren, das hat mir gezeigt, dass ich alles richtig gemacht habe. Deshalb kann man schon einmal durchschnaufen.“

Dass Marcel Hirscher diesmal dann doch nicht zum großen Gegenspieler geworden ist, das bedauert Neureuther. „So hat der Sieg beinahe einen fahlen Beigeschmack. Aber ich bin auch schon oft ausgefallen, und dann haben andere davon profitiert.“ Sein Kumpel sei sensationell auf dem Weg gewesen, „ich hätte ihn gern auf der Piste geschlagen“. Entscheidend aber sei, dass Kitzbühel zur großen Motivationsspritze geworden ist. „Das ist sehr positiv in Hinblick auf das, was jetzt noch kommt.“ Gemeint sind nicht nur Schladming und das Nightrace am Dienstag, sondern vor allem Olympia.

In Sotschi wird das Duell abermals Neureuther gegen Hirscher heißen. Und der Salzburger wird auch dort eines nicht machen: taktieren. Koste es, was es wolle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2014)

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