Der Gipfel der Intoleranz: „Sie militanter Nichtraucher-Nazi!“

Eine Haftstrafe von bis zu sechs Monaten droht in Israel vielleicht bald jenen, die das „N-Wort“ missbrauchen. Das wirkt etwas grob.

Wer in Israel Mitmenschen beleidigen will, muss in der Wortwahl künftig vielleicht vorsichtiger sein. Ein böse gemeintes „Nazi“ dürfte richtig teuer werden. Bis zu sechs Monate Haft und umgerechnet 20.000 Euro Geldstrafe bringt solch eine Invektive, wenn der entsprechende Gesetzesentwurf, der in der Knesset in der ersten Lesung eine große Mehrheit gefunden hat, demnächst tatsächlich verabschiedet wird.

„Israels Problem mit dem N-Wort ist meist nicht lustig“, leitete die Moderatorin Tina Mendelsohn diese Woche in „Kulturzeit“ auf 3sat eine Reportage ein, die zeigt, wie Ultraorthodoxe ihre politischen Gegner als „n'zy“ beschimpfen. Nichtiges genügt, um Polizisten oder Soldaten solcherart zu taxieren. Liberalere Israelis sind jetzt in der Klemme: Soll das Parlament in diesem Fall gar nicht großzügig sein? Muss man derartige Beleidigungen mit aller Härte bestrafen? Auch das wird nicht lustig.

Dieses Unwort ist in vielen Sprachen stark verbreitet und wird polemisch benutzt. „Nazi: person, who is very extreme in their views on something“, sagt mein Wörterbuch von Pons und weist auf den pejorativen Gebrauch hin. Die Übersetzung: „Besessene(r)“ oder „Faschist(in)“. Als praktisches Beispiel wird „anti-smoking nazi“ genannt. Das ist in den wenigen Ländern mit intakter Rauchkultur wohl der Gipfel der Intoleranz: „Sie militanter Nichtraucher-Nazi!“

Für Medien wäre ein Verbot heikel. Kaum etwas lockt so sehr in den Text wie der „Nazi“ in den Schlagzeilen. Konkurrieren können damit derzeit nur „Moslem“, „Hitler“, „Papst“ und „verboten!“ Das Wort „Sex“ hingegen macht in Zeitungen eine Sinnkrise durch. Die Leser finden es gedruckt nicht mehr so attraktiv, seit es das Privatfernsehen gibt.

Das abwertende Wort „Nazi“ ist übrigens viel älter als Adolf Hitlers NSDAP. Die Nationalsozialisten haben es nach der Machtübernahme 1933 gar nicht mehr geschätzt, vielleicht auch deshalb, weil der „Naz“ oder „Nazi“ – die Kurzform des Ignaz (Ignatius) – im süddeutschen Raum zumeist einen beschränkten Menschen impliziert. Der Nazi war also im rechten Kontext immer der Trottel. Das hat sich bis heute nicht geändert.

Wie sollen gesittete Bürger, die ausnahmsweise ausrasten, mit dem Schimpfwort umgehen? Das Gegengift empfiehlt Mäßigung. „Nazi“ ist eine starke verbale Keule und kann manche Opfer wirklich verletzen. So primitiv greifen an sich nur verkappte Extremisten von rechts und links an. Ein Verbot des Wortes aber ist kontraproduktiv. Die Gemeinheit sucht sich einfach andere schmutzige Kanäle.

Und wie schmäht man richtig? Ein Großmeister in dieser Disziplin war Arthur Schopenhauer: „Wenn man merkt, dass der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob.“ Da kann ich nur zurückhaltend sagen: Dieser deutsche Giftzwerg beherrscht die Kunst, recht zu behalten.

E-Mails an:norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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