Seymour Hoffman: Die Heroinnadel steckte noch im Arm

Philip Seymour Hoffman
Philip Seymour Hoffman(c) REUTERS (CARLO ALLEGRI)
  • Drucken

Trauer in New York und Hollywood um Filmstar Philip Seymour Hoffman. Neuer Heroin-Boom in den USA.

Wien/New York. Für eine Minute werden heute Abend am Broadway, der Theatermeile im Herzen Manhattans, die Lichter erlöschen – eine Reverenz für einen der Giganten der Schauspielkunst. Hier feierte Philip Seymour Hoffman vor zwei Jahren in der Rolle des Willy Loman im Arthur-Miller-Drama „Tod eines Handlungsreisenden“ einen Triumph, hier spielte er in Shakespeare- und Tschechow-Stücken und in Eugene O'Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht“.

Die Reise des weißblonden, untersetzten Schauspielers, der in Nebenrollen in jungen Jahren bereits Stars an die Wand gespielt hatte, ging in der Nacht auf Sonntag abrupt mit einer Überdosis Heroin zu Ende. Freude fanden ihn, mit einer Unterhose bekleidet und einer Nadel im Arm, auf dem Boden des Badezimmers seiner Wohnung im West Village leblos vor, drei Blocks entfernt vom Apartment seiner Lebensgefährtin und seiner drei Kinder. Die Kostümbildnerin Mimi O'Donnell hatte ihn wegen seiner Drogenexzesse aus der Wohnung geworfen. Die Polizei stellte 70 Heroinbriefchen in Hoffmans Apartment fest, mit „Pik-As“ oder „Herz-As“ bedruckt, und zahllose Verpackungen mit Nadeln und Besteck.

Tödlicher Mix mit Fentanyl

In New York ist inzwischen schon die Rede von einer neuen Heroinwelle. Die Droge, die in den 1960er- und 1970er-Jahren einen Boom erlebt hatte, war längst aus der Mode gekommen. Während des Höhepunkts der Aids-Ära war sie überhaupt verpönt, weil gebrauchte, schmutzige Nadeln die Infektion des HIV-Virus direkt übertrugen.

Als billiger Ersatz für Schmerzkiller wie Oxycodon ist das weiße Gift jetzt aber wieder en vogue in der Drogenszene. In Pittsburgh, der einstigen Stahlstadt in Pennsylvania, sind binnen einer Woche 22 Menschen an der Kombination von Heroin mit dem Opiat Fentanyl ums Leben gekommen – ein tödlicher Mix. Fentanyl gilt als 100-mal stärker als Morphium und 50-mal stärker als Heroin.

US-Drogenfahnder registrierten an der mexikanischen Grenze zuletzt einen vierfachen Anstieg des sichergestellten Heroins, parallel dazu sind auch die Todesfälle durch eine Überdosis an Heroin rapide angestiegen – in den USA um 45 Prozent (bis 2010), in New York jüngst sogar um 84 Prozent.

In einem Interview mit dem CBS-TV-Magazin „60 Minutes“ gestand Philip Seymour Hoffman seine Sucht ein, die er vor mehr als 20 Jahren für überwunden wähnte: „Ich nahm alles, was ich in die Hände kriegte.“ In einem Interview mit der „New York Times“ bekannte er: „Ich will nicht das Gefühl haben, etwas Wichtiges verpasst zu haben.“

Im Vorjahr erlitt Hoffman allerdings einen Rückfall, er unterzog sich in einer Klinik einem Entzug. Als er vor zwei Wochen beim Sundance Film Festival in Park City in Utah seinen neuen Film, die John-Le-Carré-Verfilmung „A Most Wanted Man“ vorstellte, wirkte er gezeichnet, und Journalisten erkannten den extrem wandlungsfähigen Star kaum wieder. „Ich bin heroinabhängig“, beichtete der 46-Jährige einem Verleger.

Im West Village bekundeten indessen Hunderte ihre Trauer: „Ruhe in Frieden, PSH“, stand vor dem Hauseingang zu lesen, neben Blumen und Kerzen. Kollegin Cate Blanchett brachte seinen Kindern Schachteln voller Spielzeug. Und bei der Oscar-Gala in drei Wochen wird sein Name nebst seinem Porträt noch einmal groß aufleuchten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.