Klimek vs. Klenk: Wie privat ist meine Meinung auf Facebook?

Klenk
Klenk(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Ein Journalist wirft dem "Falter" vor, ungefragt aus seinem Facebook-Profil zitiert zu haben. Wie sieht das rechtlich aus?

Darf man das? Aus einem Streitgespräch zwischen zwei Journalisten zitieren, das spätnachts auf Facebook stattfand? Im Grunde schon, erst recht, wenn es zwei bekannte Personen sind, die ihre Debatte vor (mehreren tausend) Freunden austragen. Dann spricht man juristisch gesehen von „öffentlich“. Noch sauberer ist nur, um Erlaubnis zu fragen, was „Die Presse“ für diesen Text und um neuerliche Diskussionen zu vermeiden getan hat.

Aber was ist eigentlich passiert? Der in Berlin lebende Journalist und Fotograf Manfred Klimek fühlt sich von „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk unerlaubt und zusammenhanglos zitiert. In der Titelgeschichte ("Eine schwarze Nacht", Falter 5/2014) über die Ausschreitungen rund um den Akademikerball werden einige von vielen Klimek-Statusmeldungen zur Demo erwähnt, unter anderem dieses "Ich hätte gerne, dass es heute ordentlich brennt". Diese Aussage sei jedoch, so Klimek verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen zitiert worden. Am meisten stört Klimek, dass er nicht gefragt wurde, ob aus seinem privaten und für Fremde gesperrten Facebook-Account (mit 4.584 Freunden) zitiert werden dürfe. Nun will er juristisch gegen den „Falter“ vorgehen. (Das Zitat wurde mittlerweile in der Online-Version des Textes entfernt und im iPad-E-Paper geschwärzt. Auf Wunsch des Urhebers, nicht aus juristischen Gründen, so Klenk zur "Presse". Er habe das nicht verlangt, die Löschung sei von Seiten des "Falter" freiwillig passiert, so Klimek.).

Klenk wiederum ist davon überzeugt, Facebook sei „ein öffentliches Forum und kein Wohnzimmer“. Es gebe zwar Profile, auf denen rein private Dinge dokumentiert werden. Klimek betreibe mit seinem Facebook-Profil aber eine Art öffentlichen Webblog für über 4500 Freunde, darunter auch viele Journalisten und Politiker, auf dem er regelmäßig das Tagesgeschehen kommentiert. Das sei eben nicht mehr privat. Die Pressefreiheit erlaube es Journalisten aus solchen öffentlichen Diskussionen zu zitieren. Klenk hält es für absurd, ab sofort jeden um Erlaubnis der Veröffentlichung seiner Zitate zu fragen.

Hitzige Diskussion auf Facebook

Die Auseinandersetzung im Netz geht zur Stunde weiter. Beide Seiten haben Befürworter und Kritiker, der Facebook-Thread von Klimek, in dem er sich erstmals über das Vorgehen des "Falter" beschwert hat, ist 400 Kommentare lang. Was bleibt ist die Grundfrage, ob Statements aus sozialen Netzwerken zitiert werden dürfen. Bei Twitter legt das schon dessen öffentlicher Charakter nahe, aber wie ist das bei Facebook, wo jeder bestimmt, für wen was sichtbar ist?

Der Wiener Anwalt Johannes Öhlböck sagt, juristisch seriös lasse sich hier nur jeder Fall im einzelnen beurteilen. Man befinde sich da schnell "in einem Graubereich". Wer aber fast 5000 Freunde habe, müsse eher davon ausgehen, dass seine Äußerungen öffentlich, also zitierbar sind als jemand mit beispielsweise unter 100 Freunden. Kurz gesagt: ein paar Tausend Freunde sind bereits eine qualifizierte Öffentlichkeit, andere würden sogar sagen: ein Massenmedium. Wer Dinge auf einer offiziellen Fanseite postet, kann sich gar nicht mehr darauf berufen, er agiere privat. Wenn das Profil (wie bei Klimek) aber für Nichtfreunde gesperrt ist, sei die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und Pressefreiheit schon wieder weniger eindeutig. Die Hamburger Social-Media-Expertin und Anwältin Nina Diercks sagt: "Natürlich haben auch öffentlich bekannte Personen Recht auf einen geschützten digitalen Raum." Auch sie glaubt, dass es dabei auf die Größe des Freundeskreises ankommt. Nur so viel steht fest: Wenn durch eine Zitierung in das Persönlichkeitsrecht eines anderen eingegriffen wird, kann die betroffene Person juristisch dagegen vorgehen. Um im Alltag auf Nummer Sicher zu gehen, rät Öhlböck jedenfalls: „Posten Sie nur, was Sie so auch vor laufender Kamera sagen würden.“

Auf Facebook und mittlerweile auch auf Twitter und bei den Kollegen von Vice wird noch immer ziemlich aufgeheizt (und teilweise unter der Gürtellinie) diskutiert. Klimek-Befürworter argumentieren, dass es eine Frage der journalistischen Ehre sei, nicht ungefragt aus Facebook-Unterhaltungen zu zitieren, im konkreten Fall sei das zudem verdreht passiert. Klenk-Verteidiger sagen, heute müsse bereits jedem Zehnjährigen klar sein, dass auf Facebook nichts mehr privat sei. Die konkreten handelnden Personen einmal ausgenommen, zeigt die Debatte eines: Auch im Jahr zehn von Facebook sind längst noch nicht alle Fragen von Nettiquette und Kommunikation geklärt. 

>> Vice-Kommentar zur Facebook-Zitier-Debatte

>> Anwalt Johannes Öhlböck hat nach dem Presse-Interview die Judikatur zu den (wenigen) Facebook-Entscheidungen zusammengestellt, die man hier lesen kann.

(Die Printversion dieses Artikels wurde online ergänzt und verlängert.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.