Pluschenko, der Held mit künstlicher Bandscheibe

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Jewgeni Pluschenko ist Wladimir Putins Liebling, der Eiskunstläufer soll als das "Gesicht der Sotschi-Spiele" begeistern. Ob die Diva, 31, aber nach zwölf Operationen noch glänzen kann?

Eiskunstlaufen ist Anmut auf Eis. Es verlangt Choreografie, Rhythmus, Ausstrahlung, Charakter, wer auf das Eis hinausläuft, muss auf Anhieb für Begeisterung sorgen. Nicht nur bei den Punkterichtern, sondern auch bei den Zuschauern. Sprünge müssen sitzen, kleinste Patzer kosten Medaillen. Besonders bei den Winterspielen in Sotschi kommt dieser Sportart – sie ist neben dem Skispringen eine der letzten Disziplinen, in denen „unparteiische“ Referees werken – besondere Bedeutung zu. Eistänzer und -läufer sind Superstars in Russland, sie stehen auf einer Stufe mit den EishockeySpielern. Und über allen glänzt ein Name, er überragt: Wenn Jewgeni Pluschenko die Eisberg-Arena betritt, hält die Nation den Atem an.

Pluschenko hat eine bemerkenswerte Karriere hinter sich, der 31-Jährige ist zwar seit Jahren nicht mehr der Erfolgsgarant, aber noch immer die Leitfigur dieses Sports. Seine letzten große Siege liegen weit zurück, in Turin 2006 gewann er Gold, er ist vierfacher Weltmeister (zuletzt 2004), und wenn er nun bei seinen vierten Spielen auftritt, sind für wenige Augenblicke alle Mühen, Schmerzen, Intrigen und Diskrepanzen wegen seiner Nominierung vergessen. Eigentlich hat ihm der 18-jährige Maxim Kowtun den Rang abgelaufen und den Sotschi-Startplatz gewonnen. Eine nationale Entscheidung aber, wohl auf höchster Ebene, kürte Pluschenko zum Sotschi-Starter.

Putins „Glamourboy“

Es ist kaum verwunderlich: Der Superstar mit der blonden Mähne ist Putins Liebling. Er kommt wie er aus St. Petersburg. Wenn es um Ausstrahlung und Wirkung geht, ist jedem Politiker, auch in Österreich, ein schillerndes Aushängeschild lieber als ein Newcomer.

Pluschenkos Ausstrahlung hat im Lauf der vergangenen acht Jahre gelitten. Nach zwölf Operationen an den Kniegelenken und einer komplizierten Rückenoperation in Tel Aviv, der Russe erhielt eine künstliche Bandscheibe, ist die Kraft seiner Pflicht und Kür umstritten. Vierfachsprünge sind nicht das Problem, auch „meine Liebe zum Eiskunstlauf ist unbestritten“, sagt Pluschenko. Nur, wer so lange nicht gewonnen hat, ist, so groß der Name auch klingt, in der Gunst der Wertungsrichter womöglich benachteiligt im Vergleich zu jüngeren Talenten. Viele vermuten nun, dass Putins „Glamourboy“ gewinnen muss, diese Sichtweise verleiht dem Spektakel einen eigenartigen Beigeschmack. Es ist zudem Pluschenkos letzter Auftritt. Nach Sotschi ist Schluss, er will dann nur noch angeln und Enten jagen. Vielleicht mit Putin, wer weiß.

Starts als Staatsgeheimnis

Also machten im Vorfeld seines ersten Auftritts am heutigen Donnerstag im neuen Teambewerb einige Anekdoten die Runde. Es glich Werbung in eigener Sache, um wirklich jeden auf diese Mission einzustimmen. Es wurde erzählt, dass er nach der letzten Operation „das Sitzen und Laufen neu lernen musste“. Andere behaupten, er war gelähmt, also sei es ein Wunder, dass er wieder auf dem Eis tanze, obendrein mit dieser Makellosigkeit. Und überhaupt: Pluschenko war doch schon 2007 das „Gesicht der Spiele“. Bei der IOC-Wahl in Guatemala-City half er tatkräftig mit, zum Leidwesen Salzburgs.

Russland will, nein muss bei den Heimspielen glänzen. Platz elf im Medaillenspiegel von Vancouver 2010 war eine Erniedrigung, nur drei Goldene waren eine Schmach für die Sportnation. Nicht nur zur Not soll es der Eiskunstläufer mit der künstlichen Bandscheibe richten, Pluschenko hat aber Zweifel. „Ich habe zwei große Schrauben im Rücken. Ich hatte lange Angst, dass die ganze Konstruktion wieder rausfliegt“, sagt er. Daher steht ein „halber Rückzieher“ im Raum, mittels ärztlichen Attests könnte er nach dem Teambewerb für Kowtun Platz machen.

Schafft er zwei Kurzprogramme und Küren für Team und Einzel? Es gleicht einem Staatsgeheimnis. Startet er heute überhaupt im Team? Pluschenko bleibt ruhig. Er sagt: „Ich bin gekommen, um meine Arbeit gut zu machen.“

WARUM EISKUNSTLAUF?

Eiskunstlauf ist nicht Eislauf, den Unterschied machen Anmut, Sprünge, Pirouetten und Schritte aus. Diese Sparte ist freilich eng mit dem Showgeschäft verwoben, ähnlich wie das Turnen mit dem Cirque du Soleil, und bei Olympia immer ein Quotenhit.

In Vancouver 2010 siegte im Herren-Einzel überraschend der Amerikaner Evan Lysacek, er stoppte Russlands Vorherrschaft, das seit 1992 den Olympiasieger stellte. Bei den Damen ist das Feld offener, nach Katharina Witts Doppel (1884, 1988) siegten Amerika, Ukraine, Südkorea und Japan.

Jewgeni Pluschenko wurde 2006 Olympiasieger und soll beim Heimspiel 2014 erneut für Aufsehen sorgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2014)

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