USA auch in der Ukraine auf Kollisionskurs mit dem Kreml

Präsident Obama und seine Berater haben den Kalten Krieg für passé erklärt. Doch nach und nach holt sie das Ringen mit Moskau um die Macht im Nahen Osten und in Osteuropa ein.

Washington. So sieht eine Zwickmühle aus: Einerseits braucht US-Präsident Barack Obama die Hilfe des Kremls, um den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden und die Fortschritte in der Eindämmung des iranischen Atomprogramms zu festigen. Andererseits bringt die tödliche Eskalation der Proteste in der Ukraine Washington einmal mehr auf einen Kollisionskurs mit Moskau. Was also tun?

Obama wählt vorerst ein vorsichtiges, schrittweises Vorgehen. Am Mittwoch sprach die US-Regierung Einreiseverbote für rund 20 hochrangige Mitglieder der ukrainischen Regierung und sonstige Personen aus, die Menschenrechtsverletzungen bei der Niederschlagung von Demonstrationen begangen oder sie angeordnet haben. Um wen es sich dabei handelt, gab das US-Außenministerium nicht bekannt. Es dürfte sich in erster Linie um hohe Funktionäre im Innenministerium handeln. Ob die ukrainischen Hardliner nun etwa ihre Urlaubspläne auf Hawaii oder in New York revidieren müssen, ist nicht bekannt. Vermögenssanktionen spricht die amerikanische Regierung vorerst auch nicht aus; etwaige US-Konten ukrainischer Regimeförderer werden fürs Erste nicht eingefroren. Obama bemüht sich zudem darum, den Vergleich mit der unseligen Zeit vor 1989 zu zerstreuen: „Wir sehen das nicht als eine Art von Schachbrett aus dem Kalten Krieg, auf dem wir mit Russland im Wettstreit stehen“, sagte er am Mittwoch.

Ein Albtraum holt Obama ein

Das mag stimmen. Obama und seine großteils jugendlichen und außenpolitisch nicht sehr erfahrenen Berater im Weißen Haus halten den Kalten Krieg zwischen den USA und der UdSSR für ein altes Märchen aus längst vergangenen Zeiten. Obama selbst beschreibt in seiner Biografie „The Audacity of Hope“, wie frühere sowjetische Funktionäre „über den Resten der Vergangenheit verharren, während ihre Institutionen kaum mehr bedeutsam sind für Nationen, deren Völker ihre Aufmerksamkeit darauf gerichtet haben, schnell reich zu werden“.

Doch sosehr sich Obama dem Kalten Krieg zu entziehen versucht, der Kreml zieht ihn nach und nach in ein geopolitisches Ringen nach dem anderen. Präsident Wladimir Putin, als langjähriger KGB-Spion ein Geschöpf des Kalten Krieges, hält seine Hand ebenso schützend über den Assad-Clan in Syrien, wie das die Sowjetführer Breschnew, Tschernenko und Gromyko getan haben. Mit unbedachten PR-Aktionen schürt Washington in der Ukraine die russische Propaganda: Man denke nur daran, wie Victoria Nuland, die amerikanische Chefdiplomatin für Europa, zu Beginn der Proteste gegen Janukowitsch auf Kiews Straßen mit den Worten „Hi, I'm from the USA“ Brot an Demonstranten verteilte.

Demokratie ist eine Frage des Geldes

Die zwei wirksamsten Mittel aus dem Kalten Krieg hat Obama heute jedoch nicht zur Verfügung. Niemand denkt ernsthaft daran, dass US- oder Nato-Truppen als Drohung für die russischen Streitkräfte aufmarschieren sollten: weder in Kiew noch in Homs. „Die 82nd Airborne Division wird nicht mit dem Fallschirm abspringen und diese Krise lösen“, sagte Steven Pifer, ein früherer US-Botschafter in Kiew, am Donnerstag im National Public Radio. Einen Marshallplan als Lockmittel für politische Reformen in der Ukraine kann man sich derzeit auch kaum vorstellen; der US-Kongress kürzt Auslandsausgaben mit besonderem Gusto. Dabei wäre finanzielle Hilfe des Westens entscheidend, um Regierung und Opposition an einen Tisch zu bekommen, gab Timothy Snyder, Historiker von der Universität Yale, in derselben Radiosendung zu bedenken: „Wir müssten viel mehr Geld ausgeben als bisher.“ Snyder befindet sich derzeit übrigens in Wien.

AUF EINEN BLICK

Rund 20 hohe ukrainische Funktionäre dürfen seit Mittwoch nicht mehr in die USA reisen. Das Außenministerium in Washington stellt ihnen keine Visa mehr aus, weil sie an der gewalttätigen Niederschlagung von Protesten gegen die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch beteiligt waren. Kontosperren und ähnliche wirtschaftliche Sanktionen erwägt die US-Regierung derzeit noch nicht; sie hofft, Janukowitsch Bewegungsraum für Zugeständnisse an die Opposition zu lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2014)

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